Aus für BSkyB-Deal Unterhaus zwingt Murdoch in die Knie

Rupert Murdoch (r.) mit Sohn James: Auch in den USA unter Druck
Foto: Facundo Arrizabalaga/ dpaLondon - Es passiert selten, dass das britische Unterhaus einer Meinung ist. Am Mittwochnachmittag aber wollten alle Parteien einmütig einem Antrag der Labour-Opposition zustimmen. Der australische Medienunternehmer Rupert Murdoch sollte aufgefordert werden, sein Kaufangebot für den britischen Bezahlsender BSkyB zurückzuziehen. So war es zumindest geplant.
Doch bevor es so weit kam, knickte Murdoch ein: In letzter Minute kündigte er an, seine umstrittene Offerte zurückzuziehen. Im derzeitigen Klima sei es zu schwierig, die Übernahme voranzutreiben, teilte sein Konzern News Corporation mit.
Der Rückzieher war der wohl endgültige Beweis, dass der mächtigste Medienunternehmer der Welt nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Der Mann, der es gewohnt ist, die Politik nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, wirkt plötzlich ohnmächtig.
Im Unterhaus hatte der britische Premierminister David Cameron zuvor unter dem lautstarken Beifall der Abgeordneten gerufen, statt über die weitere Expansion nachzudenken, solle Murdoch lieber erst mal den Missständen in seinem Unternehmen auf den Grund gehen. Es war eine Keckheit, die der Tory-Chef sich noch am vergangenen Freitag nicht getraut hatte. Da erklärte er noch brav, der BSkyB-Deal habe mit dem Abhörskandal bei der "News of the World" nichts zu tun.
Probleme auch in den USA
Die erfolgreiche Machtprobe des Unterhauses mit dem gefürchteten Unternehmer zeigt, wie tief Murdochs Stern gesunken ist. Seit der Skandal vor einer Woche eskaliert ist, verdüstert sich die Zukunft des zweitgrößten Medienkonzerns der Welt im Stundentakt. Nicht nur die BSkyB-Übernahme ist vorerst geplatzt. Sie wäre mit einem Wert von neun Milliarden Euro immerhin der größte Deal in der Firmengeschichte gewesen.
Auch auf dem entscheidenden US-Markt weht Murdoch der Wind immer schärfer ins Gesicht. Am Dienstag forderte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Senat, Jay Rockefeller, eine Untersuchung der Vorwürfe, die "News of the World" habe New Yorker Polizisten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Geld angeboten, um an Telefondaten der Terroropfer zu gelangen. "Wenn sie das getan haben", drohte Rockefeller, "wird das ernste Konsequenzen haben."
Zugleich proben News-Corp.-Aktionäre im US-Bundesstaat Delaware den Aufstand gegen die Unternehmensführung. Es sei unvorstellbar, dass Murdochs zweiter Sohn James, seit 2007 Europachef der News Corp., nichts von den Abhörpraktiken der "News of the World" gewusst habe, teilte eine Gruppe institutioneller Anleger unter Führung der New Yorker Amalgamated Bank mit. Die Gruppe hatte im März eine Aktionärsklage wegen Vetternwirtschaft an der Spitze von News Corp. eingereicht.
Zukunft der Zeitungen fraglich
Der Abhörskandal könnte eine ganze Welle von weitreichenden Änderungen im Murdoch-Imperium anstoßen. Das Scheitern der BSkyB-Übernahme ist nur der erste Schlag. Bislang besitzt News Corp. 39 Prozent des hochprofitablen Bezahlsenders, der in Großbritannien zehn Millionen Abo-Kunden hat und die erste Adresse für Sportübertragungen und Hollywood-Filme ist. Der Konzern wollte die restlichen 61 Prozent kaufen, um so den Umsatz der News Corp. von zuletzt 24 Milliarden Euro um ein Viertel zu erhöhen.
Die britische Regierung hatte kurz davor gestanden, den Zuschlag zu erteilen. Doch vollzog sie in dieser Woche unter dem öffentlichen Druck eine rasante Kehrtwende. Gegen diese Front wollte Murdoch offensichtlich nicht ankämpfen. Der Verzicht kam überraschend. Bislang hatte er den Eindruck erweckt, sein Prestigeprojekt um jeden Preis durchsetzen zu wollen. Analysten hatten die Bedeutung der BSkyB-Übernahme in den vergangenen Tagen bereits heruntergespielt: News Corp. sei nicht darauf angewiesen, schließlich habe der Konzern auch mit seinem Minderheitsanteil bereits die Kontrolle über den Sender.
Doch ist der Konzern durch die feindselige Stimmung in Großbritannien gezwungen, seine Prioritäten neu zu überdenken. In der New Yorker Zentrale der News Corp. wird laut "Wall Street Journal" die Option erwogen, sich auch von allen Zeitungen auf der Insel zu trennen. Nach der Einstellung der Sonntagszeitung "News of the World" gibt die britische Tochter News International noch die "Sun", die "Times" und die "Sunday Times" heraus.
Einzig die "Sun" ist profitabel, die beiden anderen Zeitungen sind seit Jahrzehnten Verlustbringer. Bei News Corp gab es daher immer schon eine Fraktion, die das Zeitungsgeschäft als teures Hobby des Firmenpatriarchen Rupert Murdoch betrachtete. Während der 80-Jährige an den Traditionsblättern hängt, mit denen er seine Firma groß und mächtig gemacht hat, verweisen die kühlen Rechner in der Zentrale darauf, dass der Zeitungsmarkt schrumpfe und keine Zukunft habe.
Wie sein kleines Königreich
Tatsächlich würde ein Verzicht auf die britischen Zeitungen nur Murdochs politischen Einfluss auf der Insel dramatisch reduzieren. Der Umsatz seines Imperiums hingegen würde nur um wenige Prozent schrumpfen. Den Großteil erwirtschaftet er ohnehin in den USA mit den Fernsehsendern Fox und Fox News, dem Hollywood-Studio Twentieth Century Fox und dem Verlag Dow Jones, der unter anderem das "Wall Street Journal" herausgibt.
Die schwerwiegendsten Folgen hat der Skandal jedoch für die Murdoch-Familie und ihre Art der Unternehmensführung. Das Chaos der vergangenen Tage bestärkt die Kritiker in den USA, dass die Vetternwirtschaft an der Konzernspitze ein Ende haben muss.
Der Murdoch-Clan kontrolliert 40 Prozent der stimmberechtigten Aktien, weitere sieben Prozent hält der Murdoch-treue Saudi-Prinz Walid Bin Talal. Das erlaubte es Murdoch bisher, das börsennotierte Unternehmen wie sein kleines Königreich zu führen. Er konnte schalten und walten, wie er wollte. Seine beiden Söhne Lachlan und James sitzen im Aufsichtsrat, seine Tochter Elisabeth wird bald dazustoßen.
Diese Struktur wird zunehmend in Frage gestellt. Insbesondere James Murdoch, der von seinem Vater zum Nachfolger aufgebaut wird, ist tief in den britischen Skandal verwickelt und hat Fehler eingeräumt. Als Europachef von News Corp hatte er Schweigegeldzahlungen an abgehörte Prominente autorisiert und ist nun ein potentielles Ziel der britischen Strafverfolger. Der massive Glaubwürdigkeitsverlust könnte dazu führen, dass die Nachfolgeregelung noch einmal überdacht wird.
In den vergangenen Tagen ist die Wahrscheinlichkeit jedenfalls erheblich gestiegen, dass der Chef von News Corp künftig nicht mehr Murdoch heißen wird.