Druck durch US-Ermittlungen Schweizer Banken vor historischem Umbruch

Zum ersten Mal hat eine Schweizer Bank gestanden, Amerikanern bei Steuerhinterziehung geholfen zu haben - das Traditionshaus Wegelin zahlt dafür mit seiner Existenz. Auch großen Instituten drohen teure Verfahren. Der Streit könnte zum Ende des Bankgeheimnisses führen.
Finanzzentrum in Zürich: Gegen Mitarbeiter von elf Banken laufen in den USA Ermittlungen

Finanzzentrum in Zürich: Gegen Mitarbeiter von elf Banken laufen in den USA Ermittlungen

Foto: © Arnd Wiegmann / Reuters/ REUTERS

Hamburg - Die USA haben im Steuerstreit mit der Schweiz ein Exempel statuiert. Die Bank Wegelin, das älteste private Geldhaus der Schweiz, muss wegen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung insgesamt 74 Millionen Dollar zahlen. Bereits vor einem Jahr hatte Wegelin mitgeteilt, sich wegen des Skandals aufzulösen. Endgültig soll das Bankgeschäft im März eingestellt werden - wenn ein US-Richter den Vergleich abgesegnet hat.

Das 1741 gegründete Geldhaus geriet im Steuerstreit auch deshalb in den Fokus der US-Ermittler, weil die Führung besonders aggressiv auftrat. So bezeichnete der Chef und Miteigentümer Konrad Hummler das Schweizer Bankgeheimnis als eine Art Asylrecht, als Notwehr gegen den Staat. Er frage die Kunden nie nach der Herkunft der Gelder, sagte er - trotz öffentlicher Warnungen aus den USA. Im Rahmen der Einigung gab die Bank nun zu, Amerikanern geholfen zu haben, Vermögen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar vor dem Fiskus zu verstecken.

Die Summe erscheint auf den ersten Blick überschaubar. Immerhin verwaltet der Schweizer Finanzplatz insgesamt sieben Billionen Franken und liegt damit hinter den USA und Großbritannien auf Platz drei. Doch der Fall Wegelin könnte rasch sehr viel größere Dimensionen annehmen - und die Existenz von großen, systemrelevanten Banken bedrohen. Mittelfristig gerät sogar das Bankgeheimnis in Gefahr, das die Schweizer bislang so trotzig verteidigen.

Der Berner Bankenexperte Peter V. Kunz warnt, das Schuldeingeständnis von Wegelin belaste alle Schweizer Banken. In einer Anlage zum Vergleich mit den US-Justizbehörden schreibt das Geldhaus nämlich, das Verhalten sei "in der Schweizer Finanzbranche üblich gewesen". Das sei zwar eine Spekulation, die juristisch nicht haltbar sei, sagt Kunz. "Aber diese Aussage könnte enorme politische und psychologische Folgen haben." Was er meint: Wenn schon die älteste Schweizer Bank zugibt, die gesamte Branche helfe Steuerhinterziehern, dann könnte dies US-Ermittler zu weiteren, drastischeren Maßnahmen ermutigen.

Auch die Lage für die Schweizer Regierung dürfte nicht gerade einfacher werden. Zwar haben die USA anders als Deutschland bereits ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, auf dessen Grundlage ab 2014 Informationen fließen sollen. Doch die USA wollen auch noch die Namen der Steuerhinterzieher, die ihr Geld vor 2009 in der Schweiz angelegt haben. Das lehnen die Eidgenossen bislang ab.

Bankenexperte Kunz vermutet, dass Wegelin sich den US-Behörden als eine Art Kronzeuge angedient hat - und so die Höhe der Strafe drücken konnte. "Ich hätte mit einer höheren Summe gerechnet", sagt Kunz. Die Bank wollte zu diesem Vorwurf auf Nachfrage nicht Stellung nehmen.

Auch Alfred Mettler, Finanzprofessor an der US-Universität Georgia State, rechnet mit weiteren Verfahren. "Es ist nun klar, dass mit den amerikanischen Steuerbehörden nicht zu spaßen ist", sagte Mettler dem Schweizer Fernsehen. Es sei immer dann zu "sehr harten Rechtshandlungen" gekommen, wenn die oberste Geschäftsleitung in die Praktiken der Bank involviert war.

"Die USA hören erst auf, wenn sie die Schweiz ausgepresst haben"

Die US-Behörden ermitteln derzeit gegen Mitarbeiter von elf Schweizer Geldinstituten, darunter sind auch die Großbanken Credit Suisse   und Julius Bär  . Gegen Angestellte von fünf dieser Unternehmen laufen bereits Klagen. Als bislang einziges Geldhaus wurde Wegelin direkt angeklagt. Das führte zu dem Notverkauf im vergangenen Jahr, bei dem der größte Teil der Bank von der Raiffeisen-Gruppe übernommen wurde.

Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf bemühte sich zuletzt, die Angst vor neuen Klagen herunterzuspielen. Die USA hätten sich verpflichtet, keine weiteren Banken anzuklagen, solange man über eine Lösung des Steuerstreits verhandele.

Der Finanzexperte Kunz hält das für wenig glaubhaft. "Wenn die Amerikaner genügend Informationen haben, werden sie loslegen. Auf große Zurückhaltung kann die Schweiz da nicht hoffen." Wie Thomas Borer, Ex-Botschafter der Schweiz in Deutschland, hält Kunz das Ende des Bankgeheimnisses nur noch für eine Frage der Zeit. "In drei bis fünf Jahren dürfte der automatische Informationsaustausch weltweiter Standard sein. Die Schweiz wird sich dieser Entwicklung nicht verweigern können."

Für die Zukunft des Finanzplatzes könne es sogar besser sein, das fiskalische Bankgeheimnis freiwillig aufzugeben, sagt Kunz. Denn das Beispiel Wegelin habe gezeigt, was die Alternative ist - ein immer aggressiveres Vorgehen der US-Steuerfahnder: "Die Amerikaner werden erst aufhören, wenn sie die Schweiz wie eine Zitrone ausgepresst haben."

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