Umfrage zur Energiewende Bundesländer hinken dem Ausbauziel zur Windkraft hinterher

Nur drei Bundesländer kommen den Windkraftzielen der Bundesregierung überhaupt nahe. In den anderen dümpelt der Ausbau laut einer Umfrage dahin. Politiker bringen nun Anreize für mehr Wettbewerb ins Spiel.
Schatten eines Windrads in Schleswig-Holstein: Ziele nicht erreicht

Schatten eines Windrads in Schleswig-Holstein: Ziele nicht erreicht

Foto: Marcus Brandt / dpa

Eine schnelle Umsetzung der Energiewende ist mit Beginn des Ukrainekriegs noch dringlicher geworden. Ein wichtiger Baustein bei der Stromversorgung ist Windkraft. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will, dass in den Bundesländern mindestens zwei Prozent der Landesfläche für den Bau von klimafreundlichen Windrädern ausgewiesen werden.

Doch die tatsächlichen Zahlen sind ernüchternd.

Denn die überwiegende Mehrheit der Bundesländer hinkt derzeit meilenweit hinter dem Ziel der Bundesregierung für den Windkraftausbau hinterher. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa gehen die gemeldeten Werte weit auseinander.

An das Zwei-Prozent-Ziel kommen gerade einmal drei Länder heran. Spitzenreiter ist demnach mit rund zwei Prozent Schleswig-Holstein, gefolgt von Hessen (1,9) und dem Saarland (1,82).

Schlusslichter bei den Flächenländern sind Sachsen (0,3 Prozent) und Baden-Württemberg (0,2).

Berlin weist nicht einmal Flächen aus

Bei den Stadtstaaten zeigte sich ungeachtet der nicht mit den Flächenländern vergleichbaren Ausgangslage ebenfalls ein großer Unterschied. Während Bremen immerhin auf rund 1,0 Prozent kommt, hat Hamburg nur 0,23 Prozent der Fläche für Windenergie ausgewiesen.

Im Flächennutzungsplan des Landes Berlin existieren keine explizit ausgewiesenen Flächen für Windenergie.

Die Mehrheit der Länder dümpelt zwischen den Extremwerten: Darunter Brandenburg (1,4 Prozent), das dicht besiedelte Nordrhein-Westfalen (1,2 Prozent), Sachsen-Anhalt (1,08 Prozent), Rheinland-Pfalz (1,01) und Thüringen (0,4).

Niedersachsen verwies darauf, dass bis 2030 2,1 Prozent erreicht würden. Das Bundesland habe aber bereits die meisten Windräder in Deutschland.

Bayern will strenge Regeln lockern

Das wegen seiner strengen 10H-Abstandsregel bundesweit heftig kritisierte und flächenmäßig größte Bundesland Bayern kommt auf 0,69 Prozent.

Die 10H-Regel definiert den Mindestabstand einer Windkraftanlage zur nächsten Wohnbebauung. Dieser muss der zehnfachen Höhe des Rades entsprechen. Bei einem 200 Meter hohen Windrad sind dies also 2000 Meter. Seit Einführung der umstrittenen Regelung ist der Ausbau der Windkraft in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen.

Zuletzt kam aber auch hier neue Bewegung in die Debatte: Nachdem die CSU die umstrittene 10H-Regel lange Jahre gegen alle Kritik verteidigt hatte, ist sie nun offen für Aufweichungen. So soll etwa an Autobahnen oder in Gewerbegebieten der Bau deutlich erleichtert werden.

Der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne ist eines der zentralen Ziele der Ampelregierung im Bund – um Klimaziele zu erreichen und weniger abhängig von fossilen Energien wie russischem Gas zu werden.

Bis 2030 sollen nach Plänen von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. 2021 waren es nach Branchenangaben etwa 42 Prozent.

Nachdem infolge des Krieges in der Ukraine die Energiepreise seit Wochen massiv ansteigen, haben auch viele Kritiker der Windkraft – etwa aus der Wirtschaft – ihre Meinung geändert.

Der Bund will eingreifen – aber wie?

Der Bau von Windrädern wird aber vielerorts immer wieder durch Proteste und Streit zwischen Anwohnern, Umweltschützern und Investoren ausgebremst.

Als ein gewichtiges Problem für den Ausbau der Windkraft an Land sieht das Bundeswirtschaftsministerium die fehlende Verfügbarkeit von Flächen.

Die bisherigen Planungen der Länder reichten bei Weitem nicht aus, hieß es im Januar in einer »Eröffnungsbilanz« Habecks. Bis Ende 2020 seien bundesweit nur etwa 0,8 Prozent der Gesamtfläche ausgewiesen, davon seien tatsächlich jedoch nur etwa 0,5 Prozent für die Nutzung verfügbar – da unter anderem Mindestabstände in etlichen Bundesländern sowie genehmigungsrechtliche Hindernisse das Potenzial deutlich verkleinern.

»Um hier voranzukommen, werden wir das Ziel von zwei Prozent der Landesflächen für die Windenergie an Land gesetzlich verankern«, so das Bundesministerium.

Offen ist, wie genau das geschehen soll und ob der Bund strenge Abstandsregeln wie in Bayern über ein Bundesgesetz kippt. Erwartet werden auch Regelungen über schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Aus Hessen hieß es, man erwarte, dass durch die angekündigten Erleichterungen bei Planung und Genehmigung sogenannte Vorrangflächen schneller mit Windenergieanlagen bebaut werden können.

Ebenfalls in der Debatte ist ein Verteilungsschlüssel. Ein solcher müsse die unterschiedlichen Möglichkeiten der Länder mit Blick auf die natürlichen Verhältnisse, Windstärken, das Geländerelief und insbesondere die Bevölkerungsdichte berücksichtigen, sagte ein Sprecher des Wirtschafts- und Energieministeriums in Nordrhein-Westfalen.

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Niedersachsen will Firmen mit geringeren Stromkosten locken

Der niedersächsische Energieminister Olaf Lies hat Standortvorteile für Bundesländer gefordert, die mehr für den Ausbau der Windkraft tun als andere. »Der Bund muss einen Ausgleich schaffen zwischen den Ländern in Deutschland, die hohe Verantwortung tragen und den anderen, die das nicht in dem Maße tun«, sagte der SPD-Politiker.

Konkret forderte Lies Entlastungen für Unternehmen – das würde den Standort an sich stärken und die Ansiedlung von Firmen attraktiver machen. »Einen Ansatz können hier die Netzentgelte bieten. Unternehmen, die den Strom an der Stelle nutzen, wo dieser auch ankommt, könnten dann entlastet werden. Wir haben schon vor fast zehn Jahren gesagt: wenn die Energie nicht zu Ihnen kommt, kommen Sie doch zu uns nach Niedersachsen.«

Die Verantwortung für den Windkraftausbau müsse in allen Bundesländern übernommen werden, forderte Lies. Das gelte auch für Bayern oder Baden-Württemberg. »Sonst muss ein finanzieller Ausgleichsmechanismus greifen.« Die Verantwortung für den Ausbau dürfe nicht nur in den Norden geschoben werden.

mmq/dpa
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