Konjunkturpaket
Autobauer und Bahn diskutieren über Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung
Viele Branchen begrüßen die Mehrwertsteuersenkung. Doch die Autoindustrie trauert auch der angedachten Kaufprämie für Verbrenner nach, die Bahn will eine Weitergabe an die Kunden prüfen.
Daimler-Produktion (Archivbild): "Wichtiges Signal zur Stärkung der Binnennachfrage"
Foto: A2640 Harry Melchert/ dpa
Um in der Coronakrise den Konsum anzukurbeln, will die schwarz-rote Koalition die Mehrwertsteuer vorübergehend senken: Von Juli bis Dezember soll der reguläre Satz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent gesenkt werden. Die Branchen sehen diesem Vorhaben aus dem Beschlusspapier des Koalitionsgipfels mit gemischten Gefühlen entgegen.
Die Autobauer: Besser als nichts
So teilten viele große Autobauer mit, den Preisvorteil voll an ihre Kunden weitergeben zu wollen. Die im Verband der Automobilindustrie (VDA) organisierten Hersteller schafften die Voraussetzungen dafür, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer in vollem Umfang den Kunden zu Gute kommen könne, teilte der VDA mit. Die Absenkung sei wichtig,"um die Nachfrage in Deutschland wieder in Schwung zu bringen".
Allerdings zeigte sich der Verband enttäuscht darüber, dass die viel diskutierte Kaufprämie für Verbrenner nicht kommen soll. "Der VDA bedauert, dass im beschlossenen Konjunkturpaket die Vorschläge der Automobilindustrie für einen breit angelegten und unmittelbar wirksamen Konjunkturimpuls nur zum Teil aufgenommen wurden", sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller.
Mit der Forderung, auch moderne Verbrenner mit reinen Benzin- oder Dieselantrieben staatlich zu fördern, hatte sich der Verband aus Herstellern und Zulieferern trotz Unterstützung durch die Autoländer Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern nicht durchsetzen können. Stattdessen soll lediglich der staatliche Zuschuss zu Elektroantrieben erhöht werden.
In der Coronakrise ist die Nachfrage nach Autos stark eingebrochen: Im Mai wurden in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt gut 168.000 Autos neu zugelassen, nur etwa halb so viel wie im Vorjahresmonat. Im April hatten die Neuzulassungen sogar mehr als 60 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen und waren damit auf den niedrigsten Stand seit 1991 gesunken. Das Minus in der Produktion beträgt dem VDA zufolge von Januar bis Mai 44 Prozent.
"Die Absenkung der Mehrwertsteuer ist aus unserer Sicht ein wichtiges Signal zur Stärkung der Binnennachfrage", teilte Daimler mit. BMW-Vorstandschef Oliver Zipse bezeichnete die Maßnahmen als "Transformationsbeschleuniger, um noch mehr Kunden für nachhaltige Mobilität zu begeistern". Volkswagen teilte mit, das Programm könne dazu beitragen, "die Menschen in der Krise zu unterstützen und Stimmung und Verhalten positiv zu beeinflussen".
Die Deutsche Bahn will die Weitergabe prüfen
Auch Kunden der Deutschen Bahn sollen von der geplanten vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer profitieren. "Wir prüfen mit Hochdruck, wie und in welcher Form wir die Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben können", sagte DB-Vorstandsmitglied Ronald Pofalla. Dies sei keine Frage des Ob. Details ließ er jedoch offen.
Der Bahnlobbyverband Allianz pro Schiene dämpfte die Erwartungen: "Die Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben auf fünf Prozent werden die Zugreisenden kaum spüren." Zu Jahresbeginn war das anders: Da waren die Fahrpreise im Fernverkehr um zehn Prozent gesunken, weil die Bahn eine Mehrwertsteuersenkung eins zu eins auf die Fahrkartenpreise angerechnet hatte.
Die Verkehrsunternehmen haben hohe Einbußen beim Fahrkartenverkauf, das Angebot auf dem Höhepunkt der Coronakrise aber zum größten Teil aufrechterhalten. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bezifferte die Ausfälle auf fünf Milliarden Euro bis zum Jahresende.
Einzelhandel gegen Verpflichtung zur Weitergabe der Steuersenkung
Der Einzelhandelsverband HDE rechnet damit, dass die Preise im Einzelhandel durch die Steuersenkung fallen werden - eine Selbstverpflichtung der Branche dazu lehnt der Verband aber ab. "Eine Selbstverpflichtung ist widersinnig", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Es gebe einen starken Wettbewerb im Handel und eine hohe Preissensibilität unter den Verbrauchern. "Das funktioniert."
"Wir sehen eine große Wirkung mit Blick auf das Herbst- und Weihnachtsgeschäft", sagte Genth. "Dann werden mehr großvolumige Einkäufe getätigt - etwa, wenn der neue Fernseher gekauft wird." Einen Bumerangeffekt im kommenden Jahr - wenn vorgezogene Käufe fehlen könnten - erwartet der HDE nicht. "Wir müssen jetzt aus dem Konsumtal herauskommen", sagte Genth. Die Mehrwertsteuersenkung und die anderen Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket könnten dabei helfen. "Am Ende hängt aber auch viel von der Entwicklung der Arbeitslosigkeit ab", sagte Genth mit Blick auf seine Branche.