Zinsskandal Finanzaufsicht rüffelt Chefkontrolleur der Deutschen Bank

Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Achleitner: Rüffel von der BaFin
Foto: Boris Roessler/ dpaHamburg - In der Libor-Affäre um manipulierte Zinssätze setzt die deutsche Finanzaufsicht BaFin den Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner, unter Druck. In einem Brief an Achleitner vom August 2013 kritisiert die BaFin nach SPIEGEL-Informationen vor allem eine von ihm angestoßene Untersuchung der Führungsebene und ihrer Rolle im Libor-Skandal, den "Senior Management Review" (SMR).
"Wesentliche Aspekte der Untersuchung und Berichterstattung" seien von Richard Walker verantwortet worden. Dieser habe jedoch als Chefjurist und Mitglied des erweiterten Vorstands eben jenem "Senior Management" angehört, das untersucht werden sollte. Die Bank hält dagegen, der SMR habe sich auf aktuelle und frühere Vorstandsmitglieder konzentriert, Walker habe nicht im Fokus der Untersuchungen gestanden. Zudem sei der SMR von drei externen Kanzleien gesteuert worden.
Außerdem, so die Aufsicht, "war es von Anfang an das Ziel des SMR zu bestätigen, dass das Senior Management in die mutmaßlichen Manipulationen nicht involviert war und auch keine Kenntnis darüber hatte". Die Bank weist dies zurück, Ziel der Untersuchungen sei es gewesen, Fakten zu finden, und nicht, jemanden zu entlasten.
"Missbilligende Schreiben übersandt"
Weiter schrieb die BaFin an Achleitner, sie habe aufgrund der "festgestellten gravierenden Verstöße gegen die organisatorischen Pflichten" den "Herren Anshuman Jain und Stefan Krause missbilligende Schreiben übersandt". Krause ist Finanzvorstand der Deutschen Bank und war zeitweise für die Innenrevision zuständig.
Immer wieder verweist die BaFin in ihren Schreiben darauf, dass die Bank mit diesen Mängeln gegen das Kreditwesengesetz verstoße. Verantwortlich ist dafür laut Gesetz letztlich der Vorstand. In ihrem Zwischenbericht zur Libor-Affäre vom August drohte die Aufsicht deshalb unverblümt mit personellen Konsequenzen im Vorstand. Sie werde, "was die persönliche Verantwortung Einzelner anbelangt, persönliche Maßnahmen prüfen". Der SPIEGEL berichtete bereits in der vergangen Woche darüber, dass die BaFin die Führung der Deutschen Bank scharf kritisiert hatte.
Aufsichtsratsmitglieder wollen in der kommenden Sitzung des Gremiums am 28. Januar den Vorstand mit den Vorwürfen der BaFin konfrontieren. Rasche personelle Konsequenzen gelten jedoch als unwahrscheinlich.
Bei dem Skandal geht es um Referenzzinssätze wie den Libor oder den Euribor, die von Banken ermittelt werden und weltweit als Basis für Finanzgeschäfte in Billionenhöhe dienen. Sie sollen von Händlern jahrelang manipuliert worden sein. Sowohl in den USA als auch in Europa ermitteln mehrere Aufsichtsbehörden gegen ein gutes Dutzend Finanzinstitute, darunter die Deutsche Bank . Erst kürzlich hatte die EU-Kommission wegen unerlaubter Kartellabsprachen Rekordstrafen von insgesamt 1,7 Milliarden Euro gegen sechs internationale Banken verhängt. Mit 725 Millionen Euro entfiel die mit Abstand größte Summe davon auf die Deutsche Bank.
Die BaFin hatte durch die Bundesbank, mit der sie bei der Aufsicht zusammenarbeitet, in einer Sonderprüfung untersuchen lassen, wie bei der Deutschen Bank die Prozesse zur Ermittlung der Libor-Zinsen organisiert waren. Eine zweite Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sollte klären, ob die Deutsche Bank den Libor-Skandal intern angemessen aufgearbeitet hat. Die BaFin hat die beiden Untersuchungen zu einem Zwischenbericht zusammengefasst und bewertet, er ging der Deutschen Bank im August 2013 zu.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es zu Beginn des Textes, die BaFin halte Aufsichtsratschef Paul Achleitner "gravierende Verstöße gegen die organisatorischen Pflichten" vor. Die Formulierung ist nicht korrekt, denn diese Kritik der BaFin galt den Vorständen Anshu Jain und Stefan Krause. In Bezug auf Achleitner kritisierte die BaFin lediglich die von ihm angestoßene Untersuchung der Führungsebene.