Zwangsarbeiter in der NS-Zeit Historiker nennt Bahlsen-Äußerungen "erschütternd naiv"

Bahlsen-Verwaltungsratsvorsitzender Werner Michael Bahlsen auf einem Archivfoto
Foto: Jochen Lübke / DPADer Historiker Manfred Grieger, der die Geschichte der Firma Bahlsen aufarbeiten soll, hat den laxen Umgang der Eigentümerfamilie mit der Vergangenheit kritisiert. Die Äußerungen der Firmenerbin Verena Bahlsen, wonach Zwangsarbeiter "gut behandelt" worden seien, hält Grieger für "erschütternd naiv".
Es sei allerdings nicht ihr allein vorzuwerfen, "wenn Opa erzählt und ihm alle glauben". Seit Jahrzehnten hätte man es besser wissen können, "aber offenbar war das Geschichtsinteresse bereits nach der Lektüre der verklärenden Firmenchroniken erschöpft". Wenn der frühere Firmenchef Werner Bahlsen sich 1942 etwa dafür eingesetzt habe, dass die ukrainischen Zwangsarbeiterinnen nicht nur die Abfallblätter des Gemüses bekommen sollten, dann höre sich das zwar erst einmal nett an. "Diese Fürsorge war aber sehr funktional und diente der Erhöhung der Produktivität", so Grieger.

Firmenerbin Bahlsen: "Erschütternd naiv"
Foto: Monika Skolimowska/ZB/DPADie Aussagen des Historikers stützen auch Recherchen des SPIEGEL , dessen Mitarbeiter eine ehemalige Zwangsarbeiterin in Kiew trafen. Sie war 1943 in einer von Bahlsen übernommenen Süßwarenfabrik in Kiew festgenommen und in Viehwaggons nach Hannover deportiert worden, in Bahlsens Hauptwerk. Dort arbeitete sie zusammen mit über 300 Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangenen. Untergebracht waren sie in primitiven Baracken. Im Winter sei es so kalt gewesen, dass sie Furunkel an der Haut bekam, die aufgeschnitten werden mussten. Noch am Tag der Operation habe sie wieder Kekse verpacken müssen. Der ausgezahlte Lohn der sogenannten Ostarbeiterinnen lag zwischen fünf und sieben Mark pro Woche, deutlich unter dem der deutschen Belegschaft.