Streit mit der GDL Bahn-Chef Grube macht Lokführern schwere Vorwürfe

Reisender in Köln (8.11.): Im Fernverkehr fahren etwa 60 Prozent der Züge
Foto: Marius Becker/ dpaBerlin - Eine Geste der Versöhnung nannte GDL-Chef Claus Weselsky den vorgezogenen Stopp des jüngsten Bahnstreiks - doch Konzernchef Rüdiger Grube klingt verärgert statt versöhnt. "Die Gewerkschaft muss sich ihrer Verantwortung bewusst und zu Kompromissen bereit sein", sagte Grube der Zeitung "Bild am Sonntag". Die Bahn habe viele Angebote gemacht, "jetzt liegt der Ball im Feld der GDL". Die Verhandlungen müssten nun schnell wieder aufgenommen werden. "Jeder Tag zählt", sagte der Bahn-Chef.
Grube machte der GDL schwere Vorwürfe. Sie habe bislang alle Kompromissangebote ausgeschlagen, auch die Vergleichsvorschläge unabhängiger Arbeitsrichter. "Ich bin verärgert über GDL-Chef Weselsky, weil er das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zwischen den Sozialpartnern verletzt", sagte Grube.
Bislang gibt es keinen Termin für neue Verhandlungen. Kern des Konflikts ist der Anspruch der GDL, auch über die Löhne und Arbeitsbedingungen der Zugbegleiter zu verhandeln. Darauf will sich das Bahn-Management aber nicht einlassen, da für diese Berufsgruppe bisher die konkurrierende Gewerkschaft EVG die Tarifabschlüsse gemacht hat. Grube bekräftigte das Angebot, parallele Verhandlungen mit beiden Gewerkschaften zeitgleich und am selben Ort zu führen, um zu einem einheitlichen Abschluss zu kommen. Die GDL lehnte dies bislang ab.
Am Samstagabend war der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn zu Ende gegangen. Um 18 Uhr nahmen die in der GDL organisierten Lokführer und Zugbegleiter ihre Arbeit wieder auf. Ursprünglich sollte der Ausstand bis Montag 4 Uhr andauern. Es wird nach Konzernangaben aber ohnehin noch bis Montag dauern, bis die Züge wieder im Normalfahrplan verkehren.
Große Probleme in Norddeutschland nach Brandanschlägen
Das Personal und die Züge müssen erst an die Einsatzorte gebracht werden. Im Fernverkehr könnten am Sonntag etwa 60 Prozent der Züge fahren, im Regionalverkehr noch mehr: "Der Regionalverkehr ist leichter zu planen", sagte die Sprecherin weiter. Im Schnitt sollten etwa zwei Drittel der normalen Verbindungen rollen.
Große Probleme gibt es aber in Norddeutschland. In Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bleibe auch am Sonntag der Ersatzfahrplan in Kraft, sagte ein Bahn-Sprecher: "Wir gehen davon aus, dass dort weiter nur etwa 50 Prozent der Züge fahren." Unbekannte hatten am Samstag in Bremen, Niedersachsen und Brandenburg in Kabelschächten entlang der Gleise Feuer gelegt. Die Polizei prüft inzwischen ein Bekennerschreiben von angeblichen Atomkraftgegnern, das auf dem linken Medienportal Indymedia veröffentlicht wurde.
Überblick: Der Tarifkonflikt bei der Bahn
Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn bei kürzeren Arbeitszeiten. Zusammengerechnet ergibt sich eine Steigerung von 15 Prozent. Weselsky will zudem künftig nicht nur Tarife für die rund 19.000 Lokführer aushandeln, sondern auch für die Zugbegleiter und Rangierführer unter den GDL-Mitgliedern. Bislang wurden diese von der Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten.
Die Bahn bietet eine dreistufige Einkommenserhöhung um fünf Prozent, verteilt auf 30 Monate. Dazu eine Einmalzahlung von rund 325 Euro. Konkurrierende Tarifverträge innerhalb einer Berufsgruppe will der Konzern aber in jedem Fall vermeiden. Die Bahn hatte angeboten, bei Tarifgesprächen künftig parallel mit GDL und EVG zu verhandeln. Sollte dann nur eine Gewerkschaft einem Kompromiss zustimmen, soll dieser auch nur für ihre Mitglieder gelten. Die andere Gewerkschaft soll nach Willen der Bahn dann aber nicht mehr streiken dürfen.
Streiks bei der Deutschen Bahn kosten die Wirtschaft nach Prognose von Forschern schnell einen dreistelligen Millionenbetrag, abhängig von Länge und Intensität. "Bei durchgängigen Streiks von mehr als drei Tagen sind in der Industrie Produktionsunterbrechungen zu erwarten", schreibt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). "Die Schäden können dann schnell auf mehr als 100 Millionen Euro pro Tag steigen."