Bankenstresstest Zittern um die Deutsche Bank

Ganz Europa bangt um Italiens Finanzinstitute. Doch wenn an diesem Freitag die Ergebnisse des EU-weiten Stresstests veröffentlicht werden, liegt die größere Gefahr womöglich in Deutschland.
Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt

Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt

Foto: RALPH ORLOWSKI/ REUTERS

Die europäische Bankenaufsicht EBA macht es spannend. Bis 22 Uhr muss die Finanzwelt noch bangen, dann will die Behörde die Ergebnisse des jüngsten Stresstests veröffentlichen. Nach Börsenschluss - damit der Schock nicht ganz so schlimm ausfällt.

Noch vor wenigen Monaten hätte man in Frankfurt, Mailand oder Paris beim Wort Stresstest wahrscheinlich nur mit den Schultern gezuckt. Schließlich waren die Ergebnisse der bisherigen Prüfungen in den Jahren 2011 und 2014 für die Banken nicht gerade furchteinflößend. Die meisten Finanzinstitute kamen ohnehin locker durch, und für die wenigen Durchfaller gab es schnell Lösungen, die den Eindruck vermitteln sollten, dass doch alles nicht so schlimm sei.

Auch diesmal ist der Test eigentlich nicht so gestrickt, dass die 51 untersuchten Banken Angst haben müssten - nicht mal Durchfaller soll es offiziell mehr geben - doch die Lage in der europäischen Finanzwelt ist gerade so angespannt, dass selbst die kleinste Erschütterung ein großes Beben auslösen könnte.

Der erste Blick geht dabei nach Italien, wo die Banken laut Schätzungen Problemkredite im Volumen von rund 360 Milliarden Euro angehäuft haben. Vor allem die traditionsreiche Monte dei Paschi di Siena steht auf der Kippe. Das älteste Bankhaus der Welt braucht dringend mehrere Milliarden Euro frisches Kapital. Ob private Investoren ihr noch einmal Geld geben, ist fraglich. Deshalb muss es womöglich vom Staat kommen - auch wenn es solche Rettungsaktionen auf Kosten der Steuerzahler eigentlich nicht mehr geben sollte.

"Zweifel an unserer Finanzkraft"

Doch Italien ist nicht das einzige Land mit Problembanken. Auch um das größte deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank  , ist es schlecht bestellt. Der Riesenkonzern mit rund 100.000 Mitarbeitern in aller Welt steckt in der größten Krise seiner Geschichte.

Knapp 6,8 Milliarden Euro Verlust hat die Bank im vergangenen Jahr gemacht - und auch 2016 könnte erneut ein Minus herauskommen. Für das gerade abgelaufene zweite Quartal meldete der Konzern am Mittwoch zwar noch einen kleinen Gewinn von 20 Millionen Euro. Bei genauerem Hinsehen ist die Bank aber auch in diesem Jahr schon wieder in den roten Zahlen. Nur weil fällige Zinszahlungen auf Anleihen in Höhe von 276 Millionen Euro in der offiziellen Rechnung nicht berücksichtigt wurden, blieb dem seit 2015 amtierenden Chef John Cryan die Schmach erspart, den nächsten Quartalsverlust zu kommentieren.

Stattdessen erklärte der Brite das schwache Abschneiden in seinem Brief an die Aktionäre damit, dass "Zweifel an unserer Finanzkraft" so manchen Kunden verunsichert hätten - ein erstaunliches Eingeständnis in einer Branche, die so sehr vom Vertrauen der Kunden lebt wie keine andere.

Entsprechend sackte auch der Aktienkurs weiter ab - am Donnerstag fiel er unter zwölf Euro. Seit Cryan im vergangenen Sommer sein Amt angetreten hat, ist der Kurs um 58 Prozent eingebrochen.

Mittlerweile wird das Unternehmen an der Börse nur noch mit rund 27 Prozent seines Buchwerts, also des gesamten ausgewiesenen Vermögens, bewertet. Das ist eine katastrophale Zahl, denn sie zeigt, dass die Investoren entweder an der Qualität der Vermögenswerte in der Bilanz zweifeln - oder aber an der Bilanzierung der Bank selbst.

Die meisten Experten sind sich einig: Auch der Deutschen Bank fehlt es an Geld. Die für Investoren und Aufsichtsbehörden so wichtige Eigenkapitalquote, die zeigt, wie groß der Puffer für Krisensituationen ist, ist so schwach wie bei kaum einer anderen europäischen Großbank. "Die Deutsche Bank hat ein Eigenkapitalproblem", sagt Dieter Hein, Analyst bei Fairesearch. "Sie will es durch interne Maßnahmen lösen, aber ich weiß nicht, ob das gelingt. Denn dazu bräuchte sie Gewinne - und die gibt es bisher nicht."

Die Stresstest-Ergebnisse könnten die Lage weiter zuspitzen, wenn klar wird, wie viel Geld die Bank genau braucht. Die Analysten der britischen Barclays Bank gehen davon aus, dass dem Konkurrenten aus Deutschland sieben Milliarden Euro fehlen. Sie haben durchgerechnet, wie die 30 wichtigsten Banken im Stresstest abschneiden würden, wenn man die Kriterien des letzten Tests 2014 zugrunde legte. Das Ergebnis: Die Deutsche Bank lag an vorletzter Stelle, schlechter war nur die Monte dei Paschi.

Experten rätseln, wie die Deutsche Bank an frisches Geld kommen will. Eigentlich wollte sie möglichst bald die ungeliebte Konzerntochter Postbank verkaufen oder an die Börse bringen. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als würden sich Investoren finden, die das Institut haben wollen. Manch einer in der Führungsspitze des Konzerns sieht das Projekt daher schon als gescheitert an und würde nun lieber das oft verlustträchtige und vor allem skandalreiche Handelsgeschäft abspalten, um die Bank wieder in ruhigere Gefilde zu steuern.

Doch so lange werden die Investoren wohl nicht warten können. Sie wollen schnell frisches Geld sehen. Wenn es gut läuft, springen vielleicht wieder die Scheichs aus der katarischen Herrscherfamilie Al-Thani ein, die erst kürzlich ihre Anteile an der Bank aufgestockt haben und damit zu den größten Aktionären des Konzerns geworden sind.

Und wenn es schlecht läuft? Noch wird das Thema Staatshilfe für die Deutsche Bank in der Branche nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Ganz abwegig scheint es nicht, hat sich doch erst kürzlich Chefvolkswirt David Folkerts-Landau für ein 150 Milliarden Euro schweres europäisches Bankenrettungsprogramm stark gemacht. Doch der Image-Verlust für Deutschlands einstigen Vorzeigekonzern wäre gigantisch. "Wenn Berlin einspringen muss", sagt ein Insider, "wäre das der Super-Gau".

Zusammengefasst: An diesem Freitag veröffentlicht die europäische Bankenaufsicht EBA die Ergebnisse ihres europaweiten Stresstests. Während die Finanzwelt gebannt zu den Problembanken nach Italien schauen, gilt auch die Deutsche Bank als besonders kapitalknapp. Nach Meinung von Experten braucht sie dringend frisches Geld.

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