Insolvente Baumarktkette Praktiker erliegt der Rabattsucht

Insolvente Baumarktkette: Praktiker erliegt der Rabattsucht
Foto: MICHAEL DALDER/ REUTERSHamburg - Eigentlich hängt alles an diesem Slogan: "20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung", warb die Baumarktkette Praktiker acht Jahre lang. Der Satz war irgendwie erfolgreich. Er brannte sich in die Köpfe der Kunden. Doch für das Unternehmen wurde er zum Fluch. Obwohl der Schlachtruf 2011 aus der Marketing-Strategie verbannt wurde, prägt er noch immer das Billig-Image der Kette, die nun Insolvenz beantragt hat.
Das Unternehmen ist überschuldet. Es kann seine Kredite nicht mehr zurückzahlen. Tausende Mitarbeiter müssen um ihr Gehalt und ihre Jobs bangen.
Im Internet ist Praktiker der Spott sicher. Und natürlich spielt der bekannte Werbeslogan wieder eine Rolle: "Praktiker-Aktie bricht bis zu 70 Prozent ein - außer Tiernahrung", twittert ein Nutzer, der sich "Mutti, der Libero" nennt . Wenn Praktiker in einigen Jahren vergessen sein sollte - der Slogan wird auf jeden Fall weiterleben.
Der Niedergang begann schon vor Jahren. Tatsächlich war es vor allem die Rabattstrategie, die Praktiker in den Ruin getrieben hat. Anfangs stand die Kette damit nicht allein da. Mitte der Nullerjahre boten viele Baumarktketten Supersonderaktionen, um sich im harten Konkurrenzkampf durchzusetzen.

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Der Wettbewerb nahm abstruse Züge an. Weil die Angebote oft unter den Einkaufspreisen lagen, schickten die Ketten eigene Leute in die Märkte der Konkurrenz, um dort billig einzukaufen. Damals erwischte ein Vizefilialleiter von Hornbach einen Praktiker-Mitarbeiter mit Akkuschraubern auf dem Weg zur Kasse. Es kam zum Handgemenge. Der Praktiker-Mann berichtete von Prellungen und Schürfwunden.
Ähnliche Probleme wie bei Schlecker
Irgendwann zogen die anderen die Notbremse: Hornbach, Obi und Co. merkten, dass der Preiskampf ihre Margen kaputt machte. Es kamen zwar dicke Umsätze rein, aber die Gewinne waren nur noch so dünn wie das Schleifpapier aus Regal acht. Die Wettbewerber positionierten sich fortan als Spezialisten für Hochwertiges. Praktiker machte weiter wie bisher: "20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung".
Das Unternehmen hatte weitere Nachteile auszugleichen: Im Vergleich zur Konkurrenz waren die Verkaufsflächen kleiner, das Angebot dünner. Auch der Service galt als eher unterentwickelt. All das kratzte am Image. Wenn in Umfragen nach der Beliebtheit von Baumarktketten gefragt wurde, landete die Marke Praktiker meist weit hinten.
"Praktiker wollte der Billigste sein, hatte aber nicht die niedrigsten Kosten", sagt Thomas Roeb, Handelsexperte und Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. "Die 20-Prozent-Aktionen konnten den Nachteil des kleineren Angebots nicht ausgleichen." Dabei gebe es im Handel eine ganz einfache Regel: "Wer Preisführer sein will, sollte langfristig auch Kostenführer sein."
An diesem Problem sind schon andere gescheitert: Schlecker etwa litt unter seinem Billig-Image, obwohl weder Kosten noch Preise niedriger waren als bei anderen Drogerieketten. Unternehmen wie Lidl oder Aldi machen dagegen vor, dass Billig auch funktionieren kann.
Max Bahr soll von der Pleite verschont werden
Bei Praktiker verließ man sich zu lange auf die gewinnfressenden Rabattaktionen. Immer wenn das Geld knapp wurde, gab es "20 Prozent auf alles" - das brachte schließlich Umsatz. "Rabatte sind wie süße Drogen", sagte der frühere Praktiker-Chef Thomas Fox. Als er 2011 antrat, war das Unternehmen bereits tief in der Krise. Fox wollte alles ändern, wollte weg von den 20-Prozent-Aktionen. Doch er hielt sich nicht lange. Schon ein Jahr später kam der nächste Chef, bald darauf ein weiterer. Auch der Aufsichtsrat wechselte munter durch.
Zuletzt setze der amtierende Vorstandschef Armin Burger alles auf die Tochter-Gesellschaft Max Bahr, die Praktiker 2007 übernommen hatte. Das Hamburger Unternehmen hat ein deutlich besseres Image und läuft auch besser als die Muttermarke Praktiker. Also wurden gut 130 der insgesamt mehr als 300 deutschen Praktiker-Filialen zu Max Bahr umgeflaggt. Immerhin: Sie müssen nicht mit in die Insolvenz.
Der Umbau kam zu spät. Praktiker erlitt einen Rückfall in die Sucht: Um die Gehälter der 18.000 Beschäftigten zu bezahlen, führte das Unternehmen seit Anfang des Jahres wieder Rabattaktionen ein. Sogar die 20-Prozent-Sprüche kamen zurück - wenn auch in abgewandelter Form.
Das schlechte Frühjahrswetter gab Praktiker dann den Rest. Weil die Hobbygärtner Anfang April noch Schnee von ihren Beeten schippen mussten, blieben die Umsätze der Gartenabteilung bei allen Baumarktketten mau. Die Konkurrenz kann so eine schlechte Phase aussitzen, Praktiker nicht.