Bayer-Blutverdünner Behörde sieht keinen Handlungsbedarf bei Xarelto

Die Zahl der Fälle mit unerwünschten Nebenwirkungen ist deutlich gestiegen. Dennoch sieht die Arzneimittelbehörde beim Blutverdünner Xarelto keine neuen Gefahren. Das Bayer-Medikament sei auch deutlich häufiger verschrieben worden.
Bayer Werk in Leverkusen: Experten kritisieren Anstieg von Xarelto-Verordnungen

Bayer Werk in Leverkusen: Experten kritisieren Anstieg von Xarelto-Verordnungen

Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpa

Die Arzneimittelbehörde BfArM sieht auch nach einem deutlichen Anstieg von unerwünschten Wirkungen und Todesfällen in Zusammenhang mit dem Gerinnungshemmer Xarelto "derzeit keine neue Risikolage". Das teilte ein Sprecher der Bonner Behörde mit. Der SPIEGEL hatte zuvor erstmals über den Anstieg der Verdachtsmeldungen berichtet, am Montag verlor die Bayer-Aktie an der Börse 1,5 Prozent an Wert.

Von Januar bis August dieses Jahres registrierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 968 Fälle von unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit dem Gerinnungshemmer Xarelto, darunter 72 Todesfälle. Das sind doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Die Behörde weist jedoch darauf hin, dass der Anstieg der Verdachtsmeldungen immer im Zusammenhang mit anderen Fakten wie etwa der Zunahme der Verordungszahlen bewertet werden müsse.

Bayer selbst wollte den Anstieg der Verdachtsmeldungen in der vergangenen Woche nicht kommentieren. Am Montag erklärte ein Konzernsprecher nun: "Da die Anzahl der mit Xarelto behandelten Patienten in den letzten sechs Monaten zugenommen hat, ist im Vergleich zum letzten Jahr auch die absolute Zahl der spontan berichteten Nebenwirkungen angestiegen." Das Sicherheitsprofil von Xarelto im klinischen Alltag entspreche jedoch den Daten aus den Medikamententests, teilte Bayer mit.

Das BfArM hatte Ende vergangener Woche in einer eigenen Mitteilung über die Gerinnungshemmer Eliquis, Pradaxa und Xarelto darauf aufmerksam gemacht, dass auch bei diesen neuen Gerinnungshemmern "ein signifikantes Risiko besteht", "dass schwere Blutungsereignisse, auch mit Todesfolge auftreten". Kritik übt das BfArM allerdings auch an Ärzten, die diese Gerinnungshemmer offenbar zu sorglos einsetzen. "Erfahrungen seit Markteinführung deuten darauf hin, dass nicht alle verordnenden Ärzte die Fachinformationen hinsichtlich des Managements von Blutungsrisiken gut genug kennen", wie die Behörde in einer Stellungnahme schreibt.

Experten kritisieren Anstieg der Verordnungen

Arzneimittelexperten kritisieren den starken Anstieg der Verordnungen. Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des Fachzeitschrift "arznei-telegramm", sagt: "Xarelto ist ein Mittel der Reserve." Es habe eben den "ganz erheblichen Nachteil", dass Blutungen nicht mit einem Gegenmittel gestoppt werden können. Deshalb dürfe man Xarelto nicht als Standardpräparat einsetzen. Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) schreibt in einem Leitfaden, dass sich bei der großen Gruppe der Patienten mit Vorhofflimmern im Vergleich zu einem älteren Präparat "kein Vorteil" einer Therapie mit dem neuen Xarelto ergebe.

Am Montag war die Bayer-Aktie mit minus 1,5 Prozent der drittgößte Verlierer im Dax. "Xarelto ist der Hoffnungsträger von Bayer, und wenn darauf jetzt ein Schatten fällt, ist das nicht gut", kommentierte Analyst Thorsten Straub von der NordLB. Xarelto ist eines der wichtigsten Medikament von Bayer. In diesen Jahr dürfte der Konzern rund 800 Millionen Euro damit einnehmen. Es wird zur Vorbeugung von Schlaganfällen und Herzinfarkten, aber auch zum Schutz vor Embolien nach Operationen eingesetzt.

Mit Material von Reuters
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