US-Unternehmen kritisiert Israels Siedlungspolitik Ben & Jerry’s will Eisverkauf im Westjordanland und Ostjerusalem stoppen

Der US-Speiseeishersteller Ben & Jerry’s boykottiert ab Ende nächsten Jahres die israelischen Siedlungsgebiete im Westjordanland und Ostjerusalem. Israels Regierung ist empört – und will sich wehren.
Gefriertruhe mit Werbung für Ben & Jerry’s-Eis in Supermarkt in israelischem Siedlungsgebiet

Gefriertruhe mit Werbung für Ben & Jerry’s-Eis in Supermarkt in israelischem Siedlungsgebiet

Foto: RONEN ZVULUN / REUTERS

Die Mitteilung ist nur wenige Zeilen lang, schlägt aber hohe Wellen: Der US-Speiseeishersteller Ben & Jerry’s hat angekündigt, den Verkauf seiner Produkte in den israelischen Siedlungsgebieten im Westjordanland einzustellen. »Wir glauben, dass es nicht mit unseren Werten vereinbar ist, dass Ben & Jerry’s-Eiscreme in den besetzten palästinensischen Gebieten (Occupied Palestinian Territory) verkauft wird«, teilte das Unternehmen, das zum Konsumgüterkonzern Unilever gehört, am Montag mit.

»Wir hören und erkennen auch die Bedenken unserer Fans und vertrauenswürdigen Partner an«, hieß es zur Begründung weiter. Man werde die bisherige Kooperation mit dem entsprechenden Lizenznehmer für den Verkauf in der Region Ende kommenden Jahres auslaufen lassen. In Israel selbst wolle man aber weiter Produkte verkaufen.

Die Reaktion aus Israel kam prompt. Die Regierung warnte den Mutterkonzern Unilever vor »schwerwiegenden Konsequenzen«. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett teilte mit, dieser habe mit Unilever-Chef Alan Jope über die »eklatanten Anti-Israel-Maßnahmen« des Eisherstellers gesprochen. »Aus israelischer Sicht hat diese Aktion schwerwiegende Konsequenzen, in rechtlicher und anderer Hinsicht«, hieß es. Man werde »aggressiv gegen jede Boykottmaßnahme vorgehen, die auf Zivilisten abzielt«, sagte Bennett laut der Erklärung seines Büros zu Unilever-Chef Jope.

Das israelische Außenministerium kritisierte die Entscheidung von Ben & Jerry’s als »Kapitulation gegenüber dem anhaltenden und aggressiven Druck extremer anti-israelischer Gruppen« und sagte, das Unternehmen kooperiere mit »ökonomischem Terrorismus«.

Unilever hatte den Speiseeishersteller mit Sitz im US-Bundesstaat Vermont im Jahr 2000 übernommen. Der Konzern wollte sich laut der Nachrichtenagentur Reuters nicht zu der aktuellen Diskussion äußern.

Avi Zinger, Chef von Ben & Jerry's israelischem Lizenznehmer, sagte dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan an diesem Dienstag, die Muttergesellschaft habe ihn bereits seit Längerem unter Druck gesetzt, den Vertrieb in den von Israel besetzten Gebieten einzustellen. Er habe dies abgelehnt, da dies gegen israelisches Recht verstoßen würde.

Zinger nannte die Entscheidung von Ben & Jerry's, ihre Lizenz nicht zu verlängern, »die größte Errungenschaft« der BDS-Bewegung. Die antiisraelische Bewegung, deren Name sich aus den zentralen Forderungen »Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen« gegen Israel zusammensetzt, propagiert einen Boykott aller israelischer Waren, Wissenschaftler und Dienstleistungen. Sie wirft Israel vor, palästinensisches Land zu besetzen und zu kolonisieren. Israel wirft der Bewegung vor, sie sei antisemitisch und gehe einseitig gegen den jüdischen Staat vor – seit 2018 verweigert das Land Aktivisten bestimmter Organisationen, die zu einem Israel-Boykott aufrufen, die Einreise. Auch der Bundestag hatte 2019 mit großer Mehrheit einen Beschluss gegen die BDS-Bewegung gebilligt.

Gruppe aus Vermont machte Druck

Auf Twitter fragte ein Nutzer, warum Ben & Jerry’s zwar den Verkauf in den israelischen Siedlungsgebieten einstelle, nicht aber in China. Dem dortigen kommunistischen Regime wird die Unterdrückung der Uiguren vorgeworfen.

Ben & Jerry’s erläuterte nicht näher, welche Bedenken für den geplanten Verkaufsstopp in den Siedlungsgebieten ausschlaggebend gewesen sind. Die Nachrichtenagentur AP berichtete jedoch, in den vergangenen Wochen habe eine Gruppe namens »Vermonters for Justice in Palestine« (»Menschen in Vermont für Gerechtigkeit in Palästina«) Druck auf das Unternehmen gemacht und es dazu aufgerufen, »die Mittäterschaft bei der israelischen Besatzung und Verletzung der Menschenrechte in Palästina zu beenden«.

Die Ankündigung von Ben & Jerry’s, sich aus den Siedlungsgebieten zurückzuziehen, habe die Gruppierung dann als nicht weitreichend genug kritisiert.

Im von Israel besetzten Westjordanland und dem ebenfalls von Israel annektierten Ostjerusalem leben derzeit insgesamt rund 600.000 jüdische Siedler unter drei Millionen Palästinensern. Die Vereinten Nationen betrachten die Siedlungen als rechtswidrig.

Von weiten Teilen der internationalen Staatengemeinschaft werden sie als großes Hindernis im Nahost-Friedensprozess betrachtet. Im Februar 2020 hatte die Uno eine Liste von mehr als hundert Firmen veröffentlicht, die in den jüdischen Siedlungen unternehmerisch aktiv sind.

Erst kürzlich hatte Norwegens größter Pensionsfonds KLP mitgeteilt, er trenne sich von Anteilen an 16 Unternehmen wegen deren Verbindungen zu jüdischen Siedlungen im Westjordanland.

mmq/Reuters/AP
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