Milliarden-Start-up N26 Deutschlands erstes Finanz-Einhorn

N26-Chef Valentin Stalf
Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance/dpaValentin Stalf war gerade einmal 28 Jahre alt, als er beschloss, die alteingesessene und mächtige Finanzindustrie anzugreifen. Im Februar 2013 gründete der Österreicher gemeinsam mit Maximilian Tayenthal die erste fürs Smartphone optimierte Bank: N26. Der Anspruch: Bankgeschäfte sollen nicht nerven, sie müssen schnell gehen - und das weltweit. 2015 folgte dann der Launch mit Girokonto und Mastercard. Im Juli 2016 erteilten Bafin und EZB dem Start-up die Vollbanklizenz.
An diesem Donnerstag sieht es tatsächlich danach aus, als würden die beiden Berliner Start-up-Gründer ihrem Ziel, eine globale digitale deutsche Bank aufzubauen, einen deutlichen Schritt näher kommen. Denn das Start-up ist in den exklusiven Kreis der Einhörner aufgestiegen. So nennt man junge Firmen, die von Investoren mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Nachdem Investoren einen Anteil in Höhe von elf Prozent für 300 Millionen gekauft hatten, lässt sich der Wert des gesamten Unternehmens auf 2,7 Milliarden Dollar hochrechnen. Zum Vergleich: Investoren bewerten das Berliner Start-up damit höher als die drittgrößte börsennotierte Bank hierzulande, die Wiesbadener Aareal Bank, die seit fast einem Jahrhundert Immobilienfinanzierungen anbietet. N26 ist obendrein dank der neuen Finanzierungsrunde das wertvollste Finanztechnologieunternehmen, kurz Fintech, Europas.
Dass internationale Investoren Millionen in die noch junge Firma pumpen, verwundert nicht. Denn N26 ist eine der wenigen Apps aus Deutschland, die großen, internationalen Anklang findet. "Wenn aktuell ein Start-up aus Deutschland das Potenzial dazu hat, das Banking weltweit zu revolutionieren, dann ist es N26", schrieb Frank Thelen, bekannter Internetpionier und Investor aus der TV-Show "Die Höhle der Löwen", kürzlich im "Handelsblatt". Gründer Stalf habe frühzeitig erkannt, dass sich die altbackene Finanzindustrie an unsere heutige Zeit und Bedürfnisse anpassen muss.
Start-up will zum globalen Marktführer werden
Tatsächlich ist das Smartphone schon seit Langem zu unserem täglichen Begleiter geworden, trotzdem gehen noch viele Leute in eine Bank-Filiale, um eine Überweisung zu tätigen. Es scheint, als habe N26 geschafft, was klassischen Finanzinstituten schwerfällt: Die App ist intuitiv aufgebaut, einfach zu bedienen und deutlich schicker als die der Konkurrenz. N26 verzichtet auf ein kostspieliges Filialnetz und hat keine veraltete IT-Infrastruktur. Das macht das Girokonto viel günstiger als das der klassischen Banken. Nach Angaben von N26 kostet die Bank ein Kunde gerade einmal ein Sechstel dessen, was traditionelle Banken aufwenden müssen.
Die digitale Bank behauptet, ihr Kontomodell radikal nach den Bedürfnissen einer jungen, digital-affinen Zielgruppe auszurichten. Derzeit wirbt sie mit einer großen Plakatkampagne in Hauptbahnhöfen um Kunden, der Slogan der Bank: "Die erste Bank, die du lieben wirst."
Doch Verbraucherschützer befürchten, dass das schnelle Wachstum der Firma auf Kosten der Sicherheit gegangen sein könnte. Vor einigen Monaten hatten mehrere Tester für die "Wirtschaftswoche" herausgefunden, dass Kunden bei N26 ein Konto mit falschem Pass eröffnen können, ohne dass die Bank es merkte. Die Finanzaufsicht Bafin meldete sich deshalb bei der Bank, denn Konten unter falschem Namen werden oftmals von Kriminellen benutzt, um darüber Geld zu waschen oder illegal zu verschieben.
Auch was Umgang mit den Kunden angeht, musste N26 schon Kritik einstecken. 2016 etwa sorgte die Bank für Aufsehen, als sie Hunderten Kunden das Konto kündigte - mutmaßlich, weil sie zu häufig Geld am Automaten abgehoben hatten.
Doch es scheint, als hätten diese Geschichten der Bank bisher nicht geschadet: Mehr als eine Million Kunden hat N26 mittlerweile in Deutschland. Und allein in diesem Jahr will N26-Chef Stalf die Anzahl der Kunden verdoppeln. Auch global will das Unternehmen zum Marktführer im mobilen Banking werden. N26 ist bereits in 24 Ländern aktiv, bald sollen die USA, Australien und Brasilien folgen.
Doch Expansion und viele Kunden reichen auf Dauer allein nicht aus, um die Investoren zufriedenzustellen und die Milliardenbewertung zu rechtfertigen. Denn wie jede Bank muss auch N26 Geld verdienen. Und da hapert es noch. Die digitale Bank nimmt derzeit Geld bei Kartentransaktionen ein, bietet kostenpflichtige Premiumkonten an und will Kunden bequem über die App andere Finanzprodukte wie Fonds und Versicherungen verkaufen.
Schon in diesem Jahr will das Unternehmen profitabel sein. Wenn alles glattläuft, könnten dann auch die Vorbereitungen für einen Börsengang beginnen.