Bilanzpfusch Schäuble wusste womöglich schon länger von Milliardenfehler

Was wusste das Bundesfinanzministerium über den 55,5 milliardenschweren Bilanzfehler bei der Bad Bank der Hypo Real Estate - und vor allem wann? Ressortchef Schäuble hatte bislang behauptet, erst im Oktober davon erfahren zu haben. Doch ein Brief von Mitte September lässt anderes vermuten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Seit wann wusste er von dem Milliardenfehler?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Seit wann wusste er von dem Milliardenfehler?

Foto: FRANCOIS LENOIR/ REUTERS

Berlin - Der Streit um den Milliardenfehler bei der Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE) geht in die nächste Runde: Neben der Ursachenforschung und Fehlersuche steht jetzt die Informationspolitik des Bundesfinanzministeriums in der Kritik.

Wie dpa und sueddeutsche.de übereinstimmend berichten, wusste Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) womöglich früher als bisher angegeben von dem Bilanzfehler. Das geht aus Auskünften des Ministeriums an Bundestagsabgeordnete hervor.

Demnach werde in einem Schreiben zum deutschen Schuldeneffekt der Beitrag der HRE-Bad-Bank für 2010 mit 216,5 Milliarden Euro angeben. Für das Jahr 2011 wird eine Summe von 161 Milliarden Euro geschätzt. Dies entspricht genau der Differenz von 55,5 Milliarden Euro, die jetzt als Buchungsfehler bekanntgeworden sind und die Staatsverschuldung Deutschlands entsprechend senken.

Das Schreiben des parlamentarischem Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, ist an Linken-Chef Klaus Ernst adressiert und auf den 13. September datiert. Ein Sprecher von Finanzminister Schäuble hatte noch am Montag gesagt, man habe erst am 4. Oktober von dem Bilanzfehler erfahren.

Wie erst am 28. Oktober öffentlich bekannt wurde, gab es in der Bilanz der Bad Bank einen Korrekturbedarf in Höhe von 55,5 Milliarden Euro - dadurch sank die deutsche Staatsverschuldung mit einem Schlag um 2,6 Prozentpunkte auf 81,1 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft.

HRE hat offenbar selbst viele Daten verarbeitet

Die SPD fordert jetzt von Schäuble Aufklärung, warum die Öffentlichkeit erst mit großer Verzögerung von dem Milliardenfehler erfahren hat. "Nach eigenem Eingeständnis sind die unfassbaren Fehler in Schäubles Ministerium schon seit mehreren Wochen bekannt", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Gleichwohl seien bisher keine erkennbaren Konsequenzen gezogen worden.

Entweder habe Schäubles Ministerium die Brisanz der Fehler nicht erkannt, oder die Zahlen seien bewusst zurückgehalten worden. "Beides ist nicht zu entschuldigen", sagte Oppermann. "Selbstverständlich trägt Schäuble die volle Verantwortung." Es handele sich schließlich um eine staatliche Bank.

Bislang gibt es keine offizielle Erklärung, wie es zu der Buchungspanne kommen konnte. Sowohl Koalition als Opposition kritisieren die zuständigen Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouseCoopers (PwC) heftig - diese weisen die Verantwortung für den Pfusch weit von sich.

Bei der Ursachenforschung rückt unterdessen auch die HRE selbst stärker in den Fokus. Denn die HRE, die nun Pfandbriefbank heißt, hat für ihre Bad Bank, die Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement, nach Angaben aus Finanzkreisen vom Montag einen Großteil der Datenverarbeitung übernommen.

Der Bilanzfehler entstand, weil unter anderem steigende Kurse für Papiere in der Bilanz falsch verbucht worden sind. Pauschal gesagt wurden Plus und Minus verwechselt. Das Finanzministerium will nun rasch klären, wer für die kapitale Panne in der Bilanz verantwortlich ist. Dafür müssen am Mittwoch Vorstandsmitglieder der HRE und ihrer Bad Bank zum Rapport bei Schäuble antreten.

lgr/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten