Regulierung von Kryptowährungen "Wir sollten den Bitcoin sich selbst überlassen"

Bitcoin-Börse in Südkorea
Foto: Ahn Young-joon/ APDer kometenhafte Aufstieg von Kryptowährungen wie Bitcoin, Etherum und Ripple hält die Finanzwelt in Atem. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Ökonom oder Banker vor der neuen Krypto-Welt warnt. Besonders deutlich wurde jüngst der Generalmanager der Internationalen Bank für Zahlungsausgleich (BIZ), Augustin Carstens: Aus Bitcoin sei eine Kombination aus Spekulationsblase, Schneeballsystem und Umweltkatastrophe geworden. Finanz- und Aufsichtsbehörden müssten möglicherweise eingreifen, um die Finanzstabilität zu gewährleisten.
Aber ist es überhaupt sinnvoll, den Bitcoin zu regulieren? Jan-Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt, warnt im Interview vor einer schärferen Regulierung.

Jan Pieter Krahnen ist Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt. Er gilt als renommierter Experte für Bankenregulierung. 2012 saß er in der sogenannten Liikanen-Gruppe, die Vorschläge für Strukturreformen im Bankensektor erarbeitet hat. Seine Forschung befasst sich unter anderem mit Ursachen der Finanzkrise und einer nachhaltigen Architektur der Finanzmärkte.
SPIEGEL ONLINE: Die Kurse von Kryptowährungen wie dem Bitcoin schwanken seit Monaten extrem, Anleger tummeln sich auf weitestgehend unregulierten Plattformen. Sollte jetzt die Politik einschreiten und Kryptowährungen wie den Bitcoin stärker regulieren?
Krahnen: Auf gar keinen Fall. Das wäre der größte Fehler, den der Staat überhaupt machen kann. Kryptowährungen werden erst gefährlich für das Finanzsystem, wenn sie reguliert werden.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Krahnen: Nehmen wir den Bitcoin als Beispiel. Wenn der Staat ihn regulieren will, würde er sich zuallererst den unzähligen Handelsplattformen annehmen. Es würde Zulassungskriterien geben, wer sich dort überhaupt bewegen darf. Bestimmte Regeln würden folgen, die festlegen, wie hoch die jeweilige Menge an Bitcoin sein darf, die dort gehandelt wird. Heißt also: Der Staat würde begrenzend in den Steuerungsprozess von Bitcoin eingreifen.
SPIEGEL ONLINE: Ja und?
Krahnen: Und dann wird es kein Halten mehr geben. Die Regulierungswelle wird dann so weit gehen, dass der Bitcoin irgendwann genauso reguliert ist wie normales Geld. Und dann haben wir das Problem, dass private Akteure, die den Bitcoin erfunden haben, an ihrem Ziel sind: Sie haben es geschafft, den Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel zu verankern und haben sich de facto eine Gelddruckmaschine geschaffen. Das hat unabsehbare Folgen für die Wirtschaft und Gesellschaft.
SPIEGEL ONLINE: Der Staat würde den Bitcoin durch Regulierung also erst so richtig wertvoll machen?
Krahnen: Genau. Der Bitcoin wird erst kostbar, wenn er aus der jetzigen diffusen Zockerwelt in die anerkannte, überwachte Welt überführt wird. Wenn der Staat den Bitcoin durch Maßnahmen einkesselt, wird er erst knapp und wertvoll.
SPIEGEL ONLINE: Aber der Bitcoin war von seinen Gründern doch als Gegenmodell zum staatlichen Finanzsystem gedacht. Es gibt doch nichts, was Bitcoin-Anhänger so sehr fürchten wie eine härtere Regulierung?
Krahnen: Momentan hat der Bitcoin keinen fundamentalen Wert. Es gibt nur die Erwartung der Teilnehmer, dass er irgendwann mal zu Tauschzwecken genutzt werden kann. Das funktioniert aber nur so lange, wie andere auch daran glauben. Der Wert eines Bitcoin resultiert also nur aus der Erwartung, dass der Staat irgendwann nicht anders kann, als regulierend einzugreifen, weil ihn so viele Menschen nutzen. Wenn der Staat das tut, sorgt er mit einem Schlag dafür, dass die Wette der Bitcoin-Pioniere aufgeht: Nämlich, dass der Bitcoin irgendwann mal ein akzeptiertes Zahlungsmittel ist.
SPIEGEL ONLINE: Warum fordern Ökonomen, Banken und Aufsichtsbehörden dann dennoch reihenweiße die Regulierung?
Krahnen: Sie sind derzeit extrem verunsichert und haben Angst, dass auf den Geldmärkten eine Art Wilder Westen entsteht. Außerdem ist die Sorge groß, dass Verbraucher viel Geld verlieren werden, das ruft Politiker auf den Plan, die sich als Schützer der Verbraucher aufspielen.
SPIEGEL ONLINE: Aber ist es nicht richtig, wenn der Staat versucht zu verhindern, dass viele Privatanleger Geld verlieren?
Krahnen: Selbstverständlich ist es richtig, Menschen davor zu warnen und ihnen klar zu sagen, dass sie ihr ganzes Geld verlieren können, wenn sie in Kryptowährungen investieren. Denn sie beteiligen sich an einer wilden Spekulation. Wer spielt und sich verzockt, verliert Geld. Ich rate aber davon ab, jetzt anzufangen den Bitcoin leichtfertig zu regulieren, und dabei zu übersehen, dass wir damit den Wert des Bitcoin erst erhärten. Regulierungs-Befürworter blenden diese paradoxe Tatsache aus.
SPIEGEL ONLINE: Und was würde passieren, wenn der Staat Kryptowährungen einfach für alle verbietet?
Krahnen: Natürlich könnte der Staat jetzt alle Bitcoin-Verträge für nichtig erklären. Ein Verbot würde aber ins Leere laufen. Denn der Bitcoin ist ohnehin aus einer Schattenwelt entstanden und in dieser würde er weiter existieren. Menschen, die den Bitcoin aus Verschleierungsgründen nutzen, wäre ein staatliches Verbot herzlich egal.
SPIEGEL ONLINE: Wenn der Staat den Bitcoin also weder verbietet noch reguliert: Was bleibt dann?
Krahnen: Wir sollten den Bitcoin einfach sich selbst überlassen. Er wird dann in einer Schattenwelt weiter existieren aber niemals zum staatlich anerkannten Zahlungsmittel werden. Diese mangelnde Perspektive hat dann zur Folge, dass er irgendwann verschwindet und zwecklos wird. Er bleibt uns dann als Hype in Erinnerung.
SPIEGEL ONLINE: Und was passiert, wenn der Bitcoin sich tatsächlich durchsetzt und immer mehr Menschen daran glauben?
Krahnen: Wenn immer mehr Menschen glauben, dass der Bitcoin ein gutes Mittel ist, um Wert aufzubewahren und Zahlungen zu tätigen, dann wird der Bitcoin irgendwann unser gesamtes Finanzsystem erfassen. Irgendwann wäre der Bitcoin so akzeptiert, dass auch zum Beispiel Unternehmen ihre langfristigen Investitionen in Milliardenhöhe über Bitcoin abwickeln würden. Dann wäre der Bitcoin allseits akzeptiertes Zahlungsmittel, und er hätte sich gegenüber herkömmlichen Währungen wie dem Euro durchgesetzt. Aber ich halte es für mehr als unwahrscheinlich, dass es so weit kommt.