Vermögensverwalter Blackrock Angst vor dem schwarzen Riesen

Blackrock-Zentrale in New York: Unscheinbarer Koloss
Foto: © ERIC THAYER / Reuters/ REUTERSLarry Fink wirkt nicht gerade so, wie man sich den mächtigsten Menschen der Finanzwelt vorstellt. Mit seiner Halbglatze und der randlosen Brille könnte der 62-Jährige auch ein Versicherungsvertreter sein. Doch glaubt man seinen Kritikern, dann täuscht dieser Eindruck gewaltig. Für sie ist der Chef des US-Vermögensverwalters ein Strippenzieher, der mit seinen Milliarden Dollar schweren Investments über Wohl und Wehe von Großkonzernen und ganzen Volkswirtschaften entscheidet.
Da ist zum Beispiel Carl Icahn, Multimilliardär und Großinvestor, der kürzlich im US-Börsensender CNBC vor Finks Marktmacht warnte. "Wir steuern auf eine Klippe zu", beschrieb Icahn die Situation an den Finanzmärkten. "Alle sitzen in einem Partymobil und trinken und feiern. Und wer schiebt das Ding an? Larry Fink und Janet Yellen."
Bei Yellen ist die Sache klar: Sie ist Chefin der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed), der wohl wichtigsten Geldinstitution der Welt. Seit der Finanzkrise 2008 hält die Fed die Zinsen auf ultraniedrigem Niveau und hat so zum Boom an den weltweiten Aktienmärkten beigetragen. In der kommenden Woche wollen Yellen und ihre Kollegen darüber entscheiden, ob sie den Leitzins erstmals seit fast sechs Jahren wieder anheben - eine Entscheidung mit Folgen für die Finanzströme rund um den Globus. Einige Experten fürchten unkontrollierbare Abstürze auf Devisen-, Aktien- und Anleihemärkten.
Doch was soll Fink so gefährlich machen?
Seine Firma Blackrock ist eine gigantische Erfolgsgeschichte. 1988 als kleiner Anleihehändler unter dem Dach der Private-Equity-Gesellschaft Blackstone gestartet, stieg das Unternehmen unter Finks Führung zum größten Vermögensverwalter der Welt auf. 4,7 Billionen Dollar verwaltet Blackrock mittlerweile. Das Geld kommt von großen Investoren, wie etwa Staatsfonds oder der kalifornischen Pensionskasse Calpers, ebenso wie von kleinen Anlegern, die 50 Euro pro Monat in einen Fondssparplan stecken. Erst das Vermögen seiner Kunden verleiht Blackrock seine enorme Bedeutung.
Jahrelang hat sich die breite Öffentlichkeit kaum für Blackrock interessiert. Selbst in der Finanzwelt galt der Vermögensverwalter als langweilig. Während die großen Investmentbanken in New York, London oder Frankfurt Milliardenübernahmen einfädelten und die Hedgefonds mit Unsummen geliehenen Geldes waghalsige Deals stemmten, verfolgten Finks Leute ein vergleichsweise einfaches Geschäftsmodell: Sie sammelten von den Anlegern so viel Geld wie möglich und investierten es weltweit in Anleihen, Aktien und anderen Wertpapiere.
Das besondere dabei: Rund zwei Drittel des verwalteten Vermögens steckt in sogenannten ETFs oder ähnlichen Produkten. Also in Fonds, die nur die Entwicklung von Aktien- oder Anleiheindizes nachbilden. Diese Produkte sind weltweit enorm erfolgreich. Gut drei Billionen Dollar haben Anleger weltweit mittlerweile allein in ETFs gesteckt. Etwa ein Drittel davon entfällt auf die Blackrock-Tochter iShares.
Heute lenkt Blackrock bei der Deutschland AG mit
Still und leise hat Blackrock so ein Imperium aufgebaut, das in der Finanzwelt seinesgleichen sucht. Ob US-Banken wie JP Morgan und Citigroup, Ölgiganten wie Exxon Mobil und Chevron , oder Konsumgüterkonzerne wie Apple oder Nestlé - überall ist Blackrock als Großaktionär beteiligt. In Deutschland gehören dem Vermögensverwalter größere Anteile an dutzenden Unternehmen - von Daimler über Bayer bis zur Deutschen Post .
Das gibt ihm eine gewisse Macht, bei wichtigen Entscheidungen mitzureden - etwa bei der Deutschen Bank , als die 2012 einen Nachfolger für Vorstandschef Josef Ackermann suchte. Oder auch in diesem Jahr, als dieser Nachfolger nach drei Jahren an der Konzernspitze wieder gehen musste. Waren es früher die Chefs von Deutscher Bank und Allianz, die die Fäden der Deutschland AG in der Hand hielten, hat diese Rolle mittlerweile ein amerikanischer Vermögensverwalter übernommen.
Na und, könnte man sagen. Welchen Unterschied macht es, wer bei den deutschen Konzernen mitlenkt? Zumal sich Blackrock bisher eher als langfristiger und geduldiger Investor erwiesen hat. Und doch scheint sich langsam ein Unbehagen breitzumachen an seiner herausragenden Rolle. Zumal der Einfluss von Blackrock mittlerweile noch über das eigene Vermögensportfolio hinausreicht. Viele andere Großinvestoren greifen auf die Analyseleistungen des Vermögensverwalters zurück. Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) lassen sich von den Blackrock-Experten beraten.

Blackrock-Gründer Fink: "Ich kontrolliere nicht die Kapitalmärkte"
Foto: © Ruben Sprich / Reuters/ REUTERSDie Journalistin Heike Buchter hat gerade ein Buch veröffentlicht, das all dieses Unbehagen aufsaugt und kanalisiert: "Blackrock - Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld", so der reißerische Titel. Darin zeichnet Buchter das Bild eines "schwarzen Riesen", der die Wirtschaft fest im Griff hat und vor dem der Rest der Finanzwelt angstvoll zittert.
Das mag überzeichnet sein, doch Buchter ist längst nicht die einzige Kritikerin des Konzerns. Mitte August sorgte in der Branche eine Studie dreier Ökonomen für Wirbel: "Wer hat Angst vor Blackrock?" fragten die Wissenschaftler Massimo Massa, David Schumacher und Yan Wang. Ihre Kernthese: Anleger werden nervös, wenn einzelne Investoren zu große Aktienpakete halten. Denn das mache es im Krisenfall schwierig, die Papiere zu verkaufen. Blackrock sei dabei so etwas wie der "Elefant im Teich", der potentiell das "Boot zum Schaukeln" bringen könne.
Kurz nach Erscheinen der Studie brachen die Aktienkurse tatsächlich weltweit ein. Und wieder tuschelte die Branche darüber, welche Rolle große Vermögensverwalter wie Blackrock dabei spielten. Das Geld habe sich von den Banken in Richtung der sogenannten Asset Manager bewegt, warnte der Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, jüngst auf einer Branchentagung. Das Bankensystem sei zwar stabiler geworden. Aber das Finanzsystem insgesamt womöglich nicht.
"Die Größe allein ist kein Problem"
Der Gedanke, der viele Kritiker schaudern lässt, ist der sogenannte Herdentrieb: Wenn wenige große Investoren einen großen Anteil des Aktien- oder Anleihemarktes beherrschen und diese Investoren plötzlich alle gleichzeitig verkaufen wollen oder müssen, ist niemand mehr da, der ihnen die Papiere abkaufen kann. Das Problem wird umso größer, wenn die Investoren gezwungen sind zu verkaufen, weil sie - wie Blackrock - mit ihren Fonds Indizes abbilden und dem allgemeinen Markttrend folgen müssen. Der Absturz würde dann noch verstärkt. Manch ein Markt könnte sogar ganz austrocknen.
Auslöser für solche fire sales, so die Befürchtung der Kritiker, könnte zum Beispiel eine Zinserhöhung in den USA sein - Janet Yellen also, die Frau aus dem Partymobil.
Blackrock selbst teilt die Bedenken nicht. Man müsse unterscheiden zwischen der Verlustangst der Investoren einerseits und systemischen Risiken andererseits, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Eine Zinserhöhung werde womöglich dazu führen, dass einige Investoren Geld verlieren. Nur weil die Kurse mal stark schwanken, sei aber längst nicht die Finanzstabilität gefährdet.
Unterstützung bekommt der "schwarze Riese" auch von einigen Experten. "Die Größe von Investoren an sich ist kein Problem für die Finanzstabilität", sagt Jan Pieter Krahnen. Professor an der Uni Frankfurt. Im Gegenteil: Große Investoren seien sich ihrer Rolle am Markt eher bewusst als kleine. Sie würden also berücksichtigen, was sie mit ihrem Handeln auslösen.
Wer hat also Recht? Wie gefährlich ist ein Finanzriese wie Blackrock? Die Antwort wird die Welt wahrscheinlich erst in der nächsten Krise erfahren.
Zusammengefasst: Mit 4,7 Billionen Dollar ist Blackrock der mit Abstand größte Vermögensverwalter der Welt. Bisher hat das kaum jemanden interessiert. Doch nun wächst die Kritik an der Machtfülle des Finanzriesen. Er gefährde die Finanzstabilität, sagen Kritiker. Der Konzern selbst hält dagegen.