737-Max-Debakel
Boeing-Chef Muilenburg muss Verwaltungsratsvorsitz abgeben
Die Abstürze des Boing-Modells 737 Max haben Folgen: Vorstandschef Muilenburg verliert seinen Posten als Vorsitzender des Verwaltungsrats - und soll sich verstärkt um Sicherheitsfragen kümmern.
Dennis Muilenburg (bei einer Rede im Frühjahr 2019)
Foto: Jim Young/ AP
Beim US-Flugzeughersteller Boeing wird die Führungsetage neu sortiert. Im Zuge der Krise um den mit Startverboten belegten Flugzeugtyp 737 Max wird Dennis Muilenburg den Verwaltungsratsvorsitz abgeben. Stattdessen soll er sich als Vorstandschef in Vollzeit um die angestrebte Wiederzulassung der 737 Max kümmern. Auf seinem Aufgabenzettel stehen außerdem ein genauerer Blick auf die Bedürfnisse der Kunden und die Verbesserung der Produkt- und Service-Sicherheit bei Boeing. Das teilte der Konzern in Chicago mit.
Den Verwaltungsrat des Flugzeugbauers soll künftig David L. Calhoun leiten - als nicht geschäftsführender Vorsitzender. Calhoun gab Muilenburg im Namen des Gremiums Rückendeckung: "Der Rat hat volles Vertrauen in Dennis als Vorstandschef." Muilenburg erklärte in der Mitteilung des Unternehmens, dass er die Entscheidung des Verwaltungsrats voll unterstütze. Das gesamte Team sei darauf fokussiert, die 737 Max wieder sicher in den Betrieb zu bringen. Anleger reagierten auf die Nachricht zunächst gelassen, Boeings Aktien drehten nach Börsenschluss lediglich leicht ins Minus.
Mit dem Personalwechsel auf oberster Ebene reagiert der Konzern auf die anhaltende Krise. Der Schritt dürfte vor allem dazu dienen, Muilenburg etwas aus der Schusslinie zu bringen. Der 55-Jährige steht durch das 737-Max-Debakel nach zwei Abstürzen mit Hunderten Toten stark in der Kritik und war bereits mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Mit Calhoun leitet zukünftig ein Manager den Verwaltungsrat, der im Boeing-Direktorium bislang nicht sonderlich auffiel. Der Verwaltungsrat ist als oberstes Gremium dem Vorstand übergeordnet.
Konzern in der Krise
Die 737-Max-Abstürze in Indonesien und Äthiopien, bei denen im Oktober und März insgesamt 346 Menschen starben, haben Boeing in eine tiefe Krise schlittern lassen. Der Konzern steht im Verdacht, die Unglücksflieger im Wettbewerb mit dem europäischen Erzrivalen Airbus überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit vernachlässigt zu haben.
Boeing weist dies zwar zurück, hat aber verschiedene Fehler und Pannen eingeräumt. Es droht erheblicher rechtlicher Ärger - das Unternehmen steht bereits zahlreichen Klagen etwa von Angehörigen der Absturzopfer, Piloten und Investoren gegenüber.
Für Boeing ist der Fall besonders brenzlig, weil ein Fehler in der Steuerungssoftware nach ersten Untersuchungen als entscheidende Ursache der Abstürze gilt. Die Software war eigens für die 737 Max entwickelt worden. Bei einem Herstellerfehler wäre Boeing mit großen Haftungsrisiken konfrontiert. US-Behörden ermitteln außerdem, ob bei der Zulassung der 737 Max alles mit rechten Dingen zuging. Sollte Boeing der US-Luftfahrtaufsicht sicherheitsrelevante Informationen verschwiegen haben, würde der Fall noch einmal deutlich brisanter.
Auch geschäftlich sind die Probleme mit der 737 Max für Boeing eine immense Belastung. Seit dem zweiten Absturz im März sind die Krisenjets mit Startverboten belegt. Wann sie wieder abheben dürfen, ist bislang unklar. Da Boeing seinen bis zu den Unglücken bestverkauften Flugzeugtyp auch nicht mehr ausliefern kann, musste die Produktion bereits deutlich gedrosselt werden. Je länger sich die erhoffte Wiederzulassung hinzieht, desto teurer wird es. Boeing steht unter Druck, die Software-Fehler zu beheben, die als Absturzursache gelten - kommt bisher aber nicht wie erhofft voran.
Die Probleme führen zu massiven Kosten: Allein im zweiten Quartal sorgte die 737-Max-Zwangspause beim Airbus-Rivalen für einen Rekordverlust von 2,9 Milliarden Dollar (rund 2,6 Milliarden Euro). Der Umsatz fiel um 35 Prozent auf 15,8 Milliarden Dollar. Boeings gesamte Schadensbilanz seit den im März verhängten Flugverboten belief sich laut dem Finanzdienst Bloomberg bereits Ende Juni auf 8,3 Milliarden Dollar.