"Flash Crash" an den US-Börsen Lektion für Trump

Die US-Börsen erleben den stärksten Kursknick seit 2011. Das könnte auf lange Sicht zwar eine normale Korrektur sein - doch sie kratzt am Image von Donald Trump, der sich gern als Retter der Märkte preist.
Schlusskurse an der Wall Street

Schlusskurse an der Wall Street

Foto: BRYAN R. SMITH/ AFP

Donald Trump war am Montag mal wieder voll in seinem Element. Er reiste nach Ohio, stellte sich vor die Mitarbeiter einer Hydraulikfirma, gab erst ihnen, dann sich selbst gute Noten, bejubelte die US-Konjunktur, bezichtigte die Demokraten des Landesverrats und flog flugs wieder zurück nach Washington.

Nur einen, sonst bei jeder Rede üblichen Satz ließ der US-Präsident diesmal weg - jenen Satz, in dem er den bisherigen Börsenboom einzig und allein auf sich selbst zurückführt. Etwa beim Weltwirtschaftsforum in Davos: "Seit meiner Wahl", hatte er da geprahlt, "bricht der Markt einen Rekord nach dem anderen."

Es überraschte nicht, warum sich Trump  diese spezifische Standardpassage in Ohio lieber verkniff. Denn während er in einer Fabrikhalle bei Cincinnati mit seinen mutmaßlichen wirtschafts- und finanzpolitischen Verdiensten angab, durchlitten die New Yorker Börsen den härtesten Crash seit Jahren.

Dramatische Schlüsse sind voreilig

Trump war mitten in seinem Selbstlob, da begann der Dow-Jones-Index, der schon den ganzen Tag gesunken war, auf einmal steil abzustürzen. Zeitweise büßte er sogar fast 1600 Punkte ein. Zum Börsenschluss betrug der Verlust 1175 Punkte, so viel wie nie in der Geschichte des Dows, was einem Minus von 4,6 Prozent entsprach. Nicht viel besser erging es den anderen Indizes.

Der Kontrast zwischen Trumps Rhetorik und der Realität zeigte sich am krassesten bei den US-Newssendern, die den Auftritt in Ohio live übertrugen. Oben die selbstgefällige Miene, unten das Schriftbanner: "Dow schmiert ab."

Selbst Trumps Hauskanal Fox News unterbrach seine Rede. Die Schlagzeilen des Abends beschworen später einen "Höllentag", einen "Flash Crash", manche sogar "Panik". Die frohe Botschaft des Weißen Hauses war futsch.

Zugegeben: Es war der schwärzeste Tag der US-Märkte seit August 2011, als eine heute längst vergessene Haushaltskrise die Börsen verschreckte. Schockierend waren diesmal nicht nur die Zahlen, sondern mehr noch die abenteuerlichen, von Algorithmen forcierten Kursschwankungen. Diese Volatilität machte selbst Profis schwindelig: Die Nadel des "Fear & Greed Index" von "CNN Money" , der all diese Daten in ein Emotionsbarometer einspeist, schnellte von Dunkelgrün ("extreme Gier") auf Rot ("Angst").

Doch nüchterne Beobachter warnten schnell vor dramatischen Schlüssen: Die Börsen blieben langfristig ja weiter im Aufwärtstrend, noch jedenfalls. "Tief durchatmen", beruhigte die Investmentfirma Bespoke ihre Klienten.

Marktunruhen bahnten sich an

"Es ist eine Weile her, dass wir so einen Tag erlebt haben", räumte Andres Garcia-Amaya, der Chef der Vermögensberatung Zoe Financial, auf CNN ein. "Aber fundamental hat sich nichts wirklich verändert." Auch die oft bemühten historischen Vergleiche hinken: Am "Black Monday" von 1987 brach der Dow um fast 23 Prozent ein, am "Black Monday" von 1929 um 13 Prozent. Montag, der 5. Februar 2018, kann sich daran keineswegs messen.

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Trotzdem sollte einem dieser jüngste Montag einiges zu denken geben - nicht nur Anlegern, sondern vor allem Trump. Dessen peinliche Lektion: Eine Börse steigt nicht ewig an, sondern macht irgendwann wieder kehrt - also sich lieber davon distanzieren, so oder so.

Zumal dies kein Ausraster war. Die Marktunruhen bahnten sich Anfang voriger Woche an, als die Investoren, die Inflation und Zinsen fürchten wie Dracula das Licht, sich um die brummende US-Konjunktur zu ängstigen begannen. Die positiven Arbeitsmarktzahlen vom Freitag fachten diese Sorgen nur an: Der Dow verlor 666 Punkte - die mythische Teufelszahl, ausgerechnet - und krönte so die schlechteste Börsenwoche in zwei Jahren. Das "Wall Street Journal" prophezeite schon da eine baldige, überfällige Marktkorrektur. Sprich: ein Minus von zehn Prozent - oder mehr. Eine solche ereignete sich zuletzt eben 2011, und die Börsen überstanden sie bestens.

Trumps Steuerreform ist mitverantwortlich

Hauptursachen des neuesten Bebens waren alte Ängste. Dass die Konjunktur sich überhitzt, dass Inflation droht, dass die Zentralbank die Zinsen anhebt, um Dampf abzulassen. In der Tat: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne legen zu. "Dies", sagte der Ökonom Ian Shepherdson der "Financial Times" über den Montagssturz, "war ein vorhersehbarer Unfall."

Hinzu kommt, dass die nächsten Schritte der Federal Reserve Bank unklar sind. Die bisherige Chefin Janet Yellen trat am Freitag ab, ihr von Trump ernannter Nachfolger Jerome Powell leistete ausgerechnet am Montag seinen Eid. "Meine Kollegen und ich bleiben wachsam", schwor Powell zum Antritt typisch nebulös. "Wir werden auf sich abzeichnende Risiken antworten."

Die Ironie: Trumps Steuerreform ist mitverantwortlich für das Dilemma. Einerseits erfreut sie Konzerne, Investoren und Millionäre, anderseits bläht sie das Haushaltsdefizit auf - und gießt doch nur Öl aufs Konjunkturfeuer.

Trump will den Boom für sich beanspruchen, mit einem Crash aber nichts zu tun haben. Daran sind stets andere schuld. "Der Präsident", sagte Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders am Montagabend, als sei das alles nie geschehen, "konzentriert sich auf unsere langfristigen ökonomischen Daten."

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