BP-Bericht zum Öldesaster im Golf Acht Fehler, drei Schuldige
Tony Hayward, der scheidende BP-Chef, brachte die Sache wie gewohnt auf den Punkt. Am Anfang des schlimmsten Öldesasters der USA stand seinen Worten zufolge "ein schlechter Zement-Job". Der löchrige Zement war das erste Glied einer achtgliedrigen Fehlerkette, die zur Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" führte. Zu diesem Ergebnis kommt der erste Untersuchungsbericht zu dem Unfall, den BP am Mittwoch vorlegte .
Zwar betont BP, dass "kein einzelner Faktor" die Tragödie ausgelöst habe. Doch kann man Haywards Worte so interpretieren, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn der Zement gehalten hätte. Und wer hat den Zement angerührt? Nicht BP, sondern die US-Firma Halliburton. "Mehrere Parteien, darunter BP, Halliburton und Transocean, waren beteiligt", so Hayward.
Wir waren es nicht allein - das ist die zentrale Botschaft dieses Berichts. Vier Monate lang hat ein 50-köpfiges BP-Team an dem 193-seitigen Werk gearbeitet. Es hat Augenzeugen angehört, Berechnungen angestellt und die Vorgänge an jenem 20. April mit Hilfe von Computermodellen minutiös rekonstruiert. Das Team hat sogar ein halbstündiges Erklärvideo angefertigt, das auf der BP-Web-Seite zu sehen ist. Am Ende aller Bemühungen steht eine Position, die der Konzern in dem erbitterten Streit um die Schuldfrage von Anfang an vertreten hat.
Beobachter waren sich bis zuletzt im Unklaren, welche Strategie BP bei der Vorstellung des Berichts verfolgen würde. Schließlich handelte es sich um einen heiklen Balance-Akt, bei dem die öffentliche Wahrnehmung eine mindestens so große Rolle spielen würde wie die Fakten. Wie würde es ankommen, wenn die Firma mit dem Finger auf andere weist? Was hätte es andererseits für rechtliche Folgen, wenn BP die Verantwortung selbst übernimmt?

Katastrophen: Die Alptraum-Bohrung
Es sei "hochriskant", diesen Bericht zu veröffentlichen, hatte die "Financial Times" geschrieben. Die Wirkung könne gewaltig sein - positiv wie negativ.
Nun stellte sich heraus, dass die Nachricht kaum Wellen schlug - was ganz im Sinne von BP war. Der Bericht enthalte "keine Überraschungen", sagte Professor Geoffrey Maitland vom Londoner Imperial College. Die Reaktionen an den Märkten waren verhalten, der BP-Aktienkurs zuckte kaum.
Der Bericht sei "nicht das letzte Wort", warnte BP vorsorglich. Tatsächlich laufen noch mehrere Untersuchungen des US-Justizministeriums und des Kongresses zu dem Umweltdesaster vor der amerikanischen Küste. Deren Sicht der Dinge könnte erheblich von der BP-Version abweichen. Sollte die US-Regierung zu dem Schluss kommen, BP habe grob fahrlässig gehandelt, droht dem Konzern eine Maximalstrafe von 21 Milliarden Dollar nach dem Clean Water Act.
Für den Konzern geht es um Schadensbegrenzung
Wenig überraschend kommt BP in dem eigenen Bericht zu dem Ergebnis, man habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Doch wiesen US-Kommentatoren sogleich auf die Lücken hin. So beschäftigt sich die BP-Analyse vor allem mit den Ereignissen am Tag des Unglücks selbst. Damit rücken die Fehler des Plattform-Personals vom US-Betreiber Transocean in den Vordergrund. Die Planungs- und Bohrphase hingegen, für die BP verantwortlich war, wird ausgespart.
Die Schuldfrage ist also auch weiterhin ungeklärt. Das Gerangel zwischen den beteiligten Unternehmen wird anhalten. In den Anhörungen vor dem US-Kongress hatten sich Vertreter von BP, Halliburton und Transocean bereits im Mai gegenseitig beschuldigt.
Dazu kommt: Ein wichtiges Beweisstück ist noch gar nicht untersucht worden. Das 15 Meter lange Bohrventil, der sogenannte "Blowout-Preventer", der das Leck eigentlich hätte verhindern müssen, ist gerade erst vom Meeresgrund geborgen worden.
Für BP ist der Bericht ein weiterer Versuch der Schadensbegrenzung. Er passt in die Verteidigungsstrategie der Konzern-Anwälte: Angesichts der anstehenden Gerichtsprozesse in den USA ist es entscheidend, die Verantwortung für den Unfall auf möglichst viele Schultern zu verteilen. "Wer die letzte Verantwortung trägt, ist in diesem Bericht nur schwer zu erkennen", sagt Professor Maitland.
BP ist wieder selbstbewusst
Seit Monaten ist die britische Firma bemüht, die Folgekosten des Desasters zu minimieren. Insgesamt hat sie 32 Milliarden Dollar für Aufräumarbeiten und Schadensersatz veranschlagt. Acht Milliarden Dollar sind schon geflossen, 440 Millionen davon sind Entschädigungen für Fischer, Ölarbeiter und Anwohner der Golfküste. Das Ölleck ist seit dem 15. Juli gestopft, doch die Folgen werden den Konzern noch auf Jahre belasten.
Zuletzt ist BP in den USA wieder deutlich selbstbewusster aufgetreten. Dem Plan des Kongresses, den Konzern von Tiefseebohrungen in US-Gewässern auszuschließen, begegnete BP mit der Drohung, dann vielleicht den zugesagten Schadensersatz in Höhe von 20 Milliarden Dollar nicht leisten zu können. Auch im Kampf gegen Halliburton und Transocean wird BP nicht nachgeben.
Die Frage der endgültigen Verantwortung wird jedoch nicht verschwinden. Dass BP nun einräumen musste, dass die Sicherheitsmechanismen gleich an acht Stellen versagt haben, ist ein Armutszeugnis für den Konzern. "Man muss sich fragen, warum so viele Dinge so falsch laufen konnten", sagte Ölanalyst Nick McGregor der BBC.
Aus dem Schneider ist BP daher keineswegs. Entscheidend wird die Untersuchung des US-Justizministeriums sein.