BP-Boss Tony Hayward Abgang des Katastrophenchefs

Von der Lichtgestalt zum Gesicht der schwarzen Pest: Tony Haywards Karriere, über drei Jahrzehnte musterhaft, wurde in nur drei Monaten zerstört - weil sein Krisenmanagement im Golf von Mexiko komplett versagte. SPIEGEL ONLINE dokumentiert Aufstieg und Absturz des BP-Bosses.
Scheidender BP-Chef Hayward (im April): Eine letzte, verheerende Quartalsbilanz

Scheidender BP-Chef Hayward (im April): Eine letzte, verheerende Quartalsbilanz

Foto: Patrick Semansky/ AP

Tony Hayward

BP

Hamburg - Meisterreformer, Macher, goldener Junge: Noch vor wenigen Monaten hatte viele wohlwollende Spitznamen. Er galt als Lichtgestalt der Energiebranche, als Über-Manager, der , dem Ex-Konzern des British Empire, eine große, strahlende Zukunft eröffnet.

Ölpest im Golf von Mexiko

Inzwischen gibt es für Hayward neue Spitznamen. Man nennt ihn jetzt den Katastrophenchef, Amerikas Sündenbock, das Gesicht der schwarzen Pest. Niemand personifiziert die so sehr wie er. Politiker, Medien und all die Menschen, deren Lebensgrundlage unter BPs Ölteppich erstickt, dreschen auf ihn ein.

Nun zog BP Konsequenzen aus der Katastrophe: Der Aufsichtsrat segnete Haywards Rücktritt zum 1. Oktober ab, der Wechsel wurde am frühen Dienstag vor Öffnung der Londoner Börse bekannt gegeben.

Tony Haywards Niedergang ist in vieler Hinsicht beispiellos. Sein Ruf: ruiniert. Seine Konzernvision: spektakulär gescheitert. Seine Karriere bei BP, die er seit 1982 mit eben so viel Esprit wie Ellenbogenarbeit aufbaute: binnen Monaten zerstört. Der Absturz vom Meisterreformer zum Mega-Versager dauerte gerade ein Geschäftsquartal:

  • Am 27. April, wenige Tage nach der Explosion der "Deepwater Horizon", präsentierte Hayward einen Rekordgewinn von 5,6 Milliarden Dollar für das erste Quartal. Der Konzern feierte ihn als goldenen Jungen.
  • Am Dienstagmorgen präsentierte BP die aktuelle Quartalsbilanz. Es ist Haywards letzte - und sie fällt mit einem Verlust von 17 Milliarden Dollar miserabel aus. Erstmals seit 1992 meldete der Konzern überhaupt einen Verlust. Mit all den Kosten für Bußgelder, Schadensersatzklagen, Förderausfälle und Aufräumarbeiten wird sich sein Nachfolger herumschlagen müssen.

SPIEGEL ONLINE zeigt Aufstieg und Absturz des Tony Hayward:

Haywards BP ist wohl nicht zuletzt daran gescheitert, dass der Boss selbst nicht mit dem Schlimmsten rechnete. Hunderte Kilometer vor der Küste, Tausende Meter in der Tiefe bohrt BP nach Öl - es ist ein Rohstoff-Roulette in der Tiefsee. Doch aus dem Konzern ist zu hören, dass eine Katastrophe wie die der "Deepwater Horizon" als fast unmöglich galt. Offenbar hatte diese Denkweise negative Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik.

Schon unter Haywards Vorgänger Lord Browne verletzte BP Sicherheitsstandards, und Hayward selbst erlebte bei dem Desaster im größten Ölfeld Alaskas, der Prudhoe Bay, welch verheerende Folgen das für den Konzern hat. 800.000 Liter Öl versickerten 2006 wegen mangelhafter Pipelines im Boden. "Mit der Genauigkeit eines Lasers" versprach Hayward, die Probleme nach seinem Amtsantritt auszumerzen. Es blieb ein reines Lippenbekenntnis.

So geht aus einer Anhörung der US-Regierung hervor, dass auf der "Deepwater Horizon" schon Monate vor dem Unglück ein wichtiger Alarm außer Funktion gesetzt wurde. Laut "Wall Street Journal" verwendet BP in jedem dritten Tiefseebohrloch Technologien, die US-Behörden als riskant einstufen. Und laut "Newsweek" hat BP in den vergangenen drei Jahren insgesamt mit 760 Verletzungen von Sicherheitsstandards für Schlagzeilen gesorgt.

Auch erschloss Hayward keine neuen Geschäftsbereiche. Sein Vorgänger Browne hatte noch Investitionen in den Bereich der erneuerbaren Energien vorangetrieben, um sich langfristig vom Geschäftsfeld der fossilen Energieträger zu lösen. Motto: "beyond petroleum". Hayward verfolgte diese Strategie nur halbherzig weiter. Unter seiner Ägide stand BP eher wieder für "British Petroleum" - für den Öldurst der westlichen Welt, der letztlich zur bisher größten Ölkatastrophe Nordamerikas führte.

Nachfolger Robert Dudley muss nun Folgen der Krise managen, US-Regierung und Aktionäre beruhigen - und er wird wohl bald die Post-Hayward-Ära einläuten, indem er eine neue Konzernstrategie präsentiert.

Hoffentlich spielen Sicherheit und Nachhaltigkeit dann eine größere Rolle.

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