Nach Schlammlawine in Brasilien TÜV Süd warnt vor weiteren Dammbrüchen

Dammbruch in Brumadinho
Foto: O Globo/ dpaNach dem Dammbruch im brasilianischen Brumadinho mit vermutlich mehr als 300 Toten hat der TÜV Süd die brasilianischen Behörden und den Bergbaukonzern Vale vor neuen Desastern gewarnt. Acht weitere Vale-Dämme gelten auf Basis einer vorläufigen Untersuchung als "besorgniserregend", sieben davon sogar als "besonders besorgniserregend", heißt es in einem Schreiben vom 12. März. Das erfuhr der SPIEGEL aus mehreren Quellen.
Ebenso wie Brumadinho befinden sich die acht Hochrisikodämme im Bundesstaat Minas Gerais: östlich und südlich der Hauptstadt Belo Horizonte. Sie gehören zu den fünf Eisenerzminen Fábrica, Timbopeba, Cauê, Gongo Seco und Abóboras, die alle vom Konzern Vale betrieben werden (siehe Karte).
Am 25. Januar war der Abraumdamm I der Vale-Eisenerzmine Corrégo do Feijão nahe der Stadt Brumadinho gebrochen. Die Schlammlawine tötete mindestens 216 Menschen; 88 weitere werden bis heute vermisst.
In den Monaten vor dem Unglück hatten brasilianische TÜV-Mitarbeiter insgesamt mehr als 30 Vale-Dämme begutachtet - darunter auch den in Brumadinho, den sie als stabil zertifiziert hatten. Nach dem Dammbruch beauftragte der TÜV Süd externe Experten damit, alle Gutachten zu überprüfen und die Messdaten neu zu bewerten. Das Warnschreiben ist ein Resultat dieser Untersuchungen.
Wie Daten der brasilianischen Bergbaubehörde zeigen, die der SPIEGEL einsehen konnte, haben sieben der acht identifizierten Hochrisikodämme ein "hohes" Schadenspotenzial. Bei vier Dämmen könnte im Ernstfall eine Bevölkerung von 1000 Menschen und mehr betroffen sein. Drei Dämme haben ein größeres Fassungsvermögen als der Unglücksdamm von Brumadinho.
Der TÜV SÜD hatte dreieinhalb Wochen nach der Katastrophe erklärt, es bestehe "eine erhöhte Unsicherheit", ob das bestehende Prüfungssystem "eine zuverlässige Aussage über die Stabilität von Dämmen liefern" und "Menschen und Umwelt angemessen vor den ernsten Risiken, die durch Abraumdämme entstehen, schützen kann".
Auf eine Anfrage des SPIEGEL zum Warnschreiben an Vale und die Behörden erklärte die Münchner Prüforganisation, die Expertengruppe habe bei den acht Hochrisikodämmen die verwendete Methodik zu deren Begutachtung hinterfragt. Das Ergebnis sei vorläufig.
Wie ernst Brasiliens Justiz die Warnung des TÜV Süd nimmt, zeigt der Fall des Damms Doutor, nahe der Stadt Ouro Preto. Hier ordnete ein Zivilgericht an, den Betrieb der dazugehörigen Timbopeba-Mine komplett zu stoppen. Der Doutor-Damm fasst rund dreimal so viel Abraum wie der Unglücksdamm von Brumadinho, dessen Mine im Normalbetrieb knapp zwölf Millionen Kubikmeter Eisenerz pro Jahr produziert.
Vale teilte mit, man habe die Anordnung des Gerichts befolgt. Allerdings sei der Damm am 14. März von Experten der nationalen Minenbehörde inspiziert worden. Diese hätten keine "relevante Anomalität" gefunden, die die Sicherheit gefährde.
Bei mindestens zwei weiteren Dämmen, Minervino und Cordão Nova Vista, ordnete ein Gericht an, dass Vale bis auf Weiteres kein weiteres Abraummaterial mehr einleiten darf. Die beiden Dämme stehen nahe der Stadt Itabira, die mehr als 100.000 Einwohner hat.
Auch Vale selbst hat auf die Warnung aus Deutschland reagiert - und an fünf der genannten Hochrisikodämme offenbar einige besonders gefährdete Anwohner umsiedeln lassen.