No-Deal-Szenario Regierung drängt Banken zu Brexit-Notfallplan

Frankfurt am Main
Foto: Boris Roessler/ picture alliance/dpaDie Bundesregierung fordert die Finanzbranche eindringlich auf, sich auf das Szenario eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens vorzubereiten. "Ein No-Deal wäre die schlechteste Lösung - trotzdem gebietet es die Vorsicht, dass wir uns auch darauf einstellen", sagte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium an diesem Mittwoch beim Versicherungstag in Berlin. Die Vorbereitungen müssten in erster Linie von der Branche selbst getroffen werden.
Nach Angaben von Kukies bemüht sich die Bundesregierung darum, nicht nur Finanzdienstleister an den Finanzplatz Frankfurt zu locken, die London im Zuge des Brexit verlassen. Es gehe um die Stärkung des Finanzplatzes Deutschland als Ganzes.
Sechs Monate vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens ist die erwartete massenhafte Verlagerung von Jobs bislang aber ausgeblieben. Lediglich 630 Arbeitsplätze sind einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters zufolge in andere Länder verschoben worden. Für die Umfrage wurden 134 der größten oder am meisten international ausgerichteten Banken, Versicherer, Vermögensverwalter, privaten Beteiligungsgesellschaften und Börsen befragt.
Kein Brexit-Exodus aus London
Selbst bei einem sogenannten "harten" Brexit ohne umfassende Austrittsvereinbarung mit der EU erwarten die Finanzinstitute lediglich eine Verlagerung von knapp 6000 Stellen. In einer Umfrage vom September 2017 war noch von 10.000 Jobs die Rede gewesen.
Offenbar zögern viele Unternehmen die Entscheidung hinaus:
- Die britische Großbank HSBC etwa hatte öffentlich erklärt, bis zu 1000 Jobs nach Paris zu verlagern. Tatsächlich musste bislang aber noch kein Mitarbeiter die britische Insel verlassen.
- Die Royal Bank of Scotland, die den Umzug von 150 Mitarbeitern nach Amsterdam angekündigt hatte, hat diesen Schritt noch nicht vollzogen.
- Die US-Großbank JPMorgan, die von 4000 Stellenverlagerungen gesprochen hat, hat einem Schreiben an seine Mitarbeiter zufolge bislang nur "einige Dutzend" Beschäftigte in andere Ländern versetzt.
Großbritannien tritt im März 2019 aus der Europäischen Union aus. Premierministerin Theresa May ist mit ihrem Austrittsplan, den sie nach harten parteiinternen Kämpfen im Juli mit ihrem Kabinett vereinbart hatte, bei den Staats- und Regierungschefs der EU aber auf geschlossene Ablehnung gestoßen. Sie will nach dem Brexit eine Freihandelszone mit der EU für Waren und Agrarprodukte, nicht aber für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr. Die EU lehnt dies als Rosinenpickerei ab (Lesen Sie hier mehr dazu).