Wichtigster Aktienhandelsplatz Europas Amsterdam überholt London

Amsterdamer Bankenviertel Zuidas
Foto: imago images / Hollandse HoogteNicht Frankfurt oder Paris, sondern Amsterdam könnte sich als bedeutendster europäischer Finanzmarktplatz etablieren. Die niederländische Metropole hat sich im Januar jedenfalls zum größten europäischen Aktienhandelsplatz entwickelt und London abgelöst. An den Amsterdamer Börsen seien im Januar täglich 9,2 Milliarden Euro gehandelt worden, deutlich mehr als in London mit 8,6 Milliarden Euro, wie Zahlen der Finanzmarktfirma Cboe Europe zeigen.
Zum Vergleich: 2020 waren laut Cboe in London täglich noch durchschnittlich 17,5 Milliarden Euro pro Tag gehandelt worden, während Frankfurt mit 5,9 Milliarden Euro pro Tag an zweiter und Amsterdam mit 2,6 Milliarden pro Tag nur an sechster Stelle lag.
Dienstleistungen – insgesamt rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung – waren bei den Verhandlungen über einen Brexithandelspakt zwischen der EU und Großbritannien außen vor geblieben. Britische Finanzdienstleister haben mit dem Ende der Brexitübergangsphase zum Jahreswechsel ihren automatischen Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren.
Amsterdam profitiert dabei vom Brexit, der Anleger in der Europäischen Union dazu zwingt, sich Handelspartner innerhalb der Gemeinschaft zu suchen. Nachdem Großbritannien 2016 für den Austritt aus der EU gestimmt hatte, begannen die Aktienplattformen Cboe und die Londoner Handelsplattform Turquoise mit Vorbereitungen, ihre Geschäfte zu verlagern. Um mehr als sechs Milliarden Euro täglich verringerte sich der Londoner Handel am 4. Januar, dem ersten Handelstag nach dem Ende der Übergangsfrist, auf solchen Plattformen. Zunehmend gehen zudem auch Geschäfte an den nationalen Börsen zurück.
Tausende Arbeitsplätze wandern ab
Mit dem Rückgang des Handelsvolumens spitzt sich der Streit über die künftige Ausgestaltung der Finanzmarktbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU zu. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, äußerte sich mit deutlichen Worten zu den laufenden Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von Finanzmarktregeln zu Wort.
»Ich fürchte, eine Welt in der die EU diktiert und bestimmt, welche Regeln und Standards wir in Großbritannien haben werden, wird nicht funktionieren«, sagte Bailey bei der jährlichen Mansion-House-Rede. Es sei unwahrscheinlich, dass London entsprechenden Forderungen Brüssels nachgeben werde, so der Zentralbankchef. Sollte die EU versuchen, die britische Finanzindustrie von ihrem Markt auszusperren, wäre das ein Fehler.
Bislang führten der anhaltende Streit über die Finanzdienstleistungen zwar nicht zum befürchteten großen Exodus der Banken aus der Londoner City, doch viele Institute und andere Unternehmen gründeten Ableger in Städten wie Paris, Dublin, Amsterdam und Frankfurt und verlagerten ihr Geschäft. Etwa 7000 Arbeitsplätze wanderten ab.
Zugleich bleibt jedoch auch die Hoffnung vieler Brexitanhänger womöglich erst mal unerfüllt, London zu einem »Singapur an der Themse« zu entwickeln: mit starker Deregulierung von Finanzmarktregeln und niedrigen Steuern. Denn dem trat Notenbanker Bailey ebenfalls entgegen: »Lassen Sie es mich deutlich sagen: Nichts von alledem bedeutet, dass Großbritannien ein niedrig reguliertes, hochriskantes Finanzzentrum und -system schaffen sollte oder wird, in dem alles möglich ist.«
Etwas Hoffnung für London gibt es allerdings noch: Diesen Monat wurde in Großbritannien der Handel mit Schweizer Aktien wieder aufgenommen. Er beträgt im Durchschnitt 250 Millionen Euro pro Tag und soll sich auf über eine Milliarde Euro täglich aufbauen – das Niveau, bevor der Handel mit ihnen in London im Juni 2019 vorläufig eingestellt wurde. Und: Bis März wollen sich Brüssel und London über die gegenseitige Anerkennung von Standards einig werden.
Anmerkung der Redaktion: In der Überschrift war vom »wichtigsten Finanzplatz Europas« zu lesen, gemeint war nur der »wichtigste Aktienhandelsplatz Europas«. Wir haben den Begriff an dieser Stelle korrigiert.