Wachsender Internethandel Brille? Online!

Sie heißen Brille24, Edel Optics oder Mister Spex: Online-Optiker verkaufen in Deutschland immer mehr Sehhilfen. Das könnte die Branche ähnlich durcheinanderwirbeln wie einst der heutige Marktführer Fielmann.
Von Jürgen Hoffmann und Anja Steinbuch
Verschiedene Brillenmodelle: Kampf um den Milliardenmarkt

Verschiedene Brillenmodelle: Kampf um den Milliardenmarkt

Foto: Malte Christians/ dpa

Hamburg - Die deutsche Optikerbranche ist ein Milliardenmarkt: Rund 12.000 niedergelassene Optiker machen laut dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro. Allein für Korrektionsbrillen, mit denen Sehfehler ausgeglichen werden, blätterten die Deutschen vier Milliarden Euro hin. Branchenprimus ist Fielmann, in dessen 570 Filialen etwa jede zweite Brille in Deutschland verkauft wird, gefolgt von Apollo und Pro Optik. Die Top Ten der Branche setzen laut ZVA rund 40 Prozent des Gesamtvolumens in ihren Läden um. Der Rest verteilt sich auf kleinere und mittelständische Betriebe.

Waren Brillen früher nur Sehhilfen, so sind sie heute auch modische Accessoires, Designobjekte und oftmals Ausdruck einer bestimmten Lebenseinstellung. Die streng anmutende Hornbrille, einst vornehmlich von Lehrern, Bibliothekaren und Wissenschaftlern getragen, haben heute viele Menschen auf der Nase sitzen.

Inzwischen werden Korrektions- und Sonnenbrillen sowie Kontaktlinsen nicht mehr nur in Optikergeschäften erstanden, sondern auch per Mausklick. Der Kampf um die Gunst der Brillenträger hat damit eine neue Dimension erreicht - und er könnte im Netz entschieden werden.

"Rund fünf Prozent der elf Millionen Korrektionsbrillen werden in diesem Jahr bereits über das Internet verkauft", behauptet Dirk Graber, Geschäftsführer des Online-Optikers Mister Spex. Das wären 550.000 Stück. In den nächsten drei bis fünf Jahren hält Graber bei Korrektionsbrillen sogar einen Marktanteil von zehn Prozent für möglich.

Herausforderer Mister Spex, seit 2007 am Markt, hat mittlerweile 250 Beschäftigte. In seiner Kartei stehen nach eigenen Angaben rund 600.000 Kunden. An manchen Tagen verschicken die Mister-Spex-Mitarbeiter in Prenzlauer Berg gut 6000 Pakete.

Der Wettbewerb drückt die Preise

Als "Hecht im Karpfenteich" bezeichnete sich der Branchen-Revoluzzer Günther Fielmann einmal. Wird er, der noch Ende des vergangenen Jahrhunderts mit preisgünstigen Kassenmodellen den Markt aufrollte, nun selbst von ein paar jungen Internet-Optikern überholt? Muss der Werbespruch "Brille? Fielmann!" gar in "Brille? Online!" umgewandelt werden? Es könnte sein. Firmenchef Graber will im Netz jedenfalls "eine neue Art des Brillenkaufs etablieren".

Bei Fielmann gibt man sich gelassen. "Wir könnten von heute auf morgen den Online-Vertrieb starten", sagt Christian Egli, Geschäftsführer des Tochterunternehmens Fielmann Ventures. Man wolle aber nicht, "denn die Technologie für eine Anpassung der Brille an die Augenstellung des Kunden via Internet entspricht noch nicht unseren Qualitätserwartungen", erklärt Egli die bisherige Zurückhaltung. Fielmann denke allerdings darüber nach, Kontaktlinsen und Pflegemittel künftig auch im Netz zu verkaufen.

Für Brillenträger scheint der neue Wettbewerb Vorteile zu bringen: Die Preise sinken. So kostet etwa ein Brillengestell der Marke Ray-Ban mit der Typnummer RX 5294 und entspiegelten Einstärkengläser bei Fielmann 169 Euro, in anderen Optikerläden in Hamburg und Berlin zwischen 267 und 280 Euro. Im Internet ist diese Brille deutlich billiger zu bekommen: Bei Mister Spex und Edel Optics kostet das besagte Modell ab 139 Euro, beim Lensonlineshop 127 Euro.

Allerdings ist solch ein Preisvergleich für Kunden schwierig. Oft unterscheiden sich die von den Händlern angebotenen Gläser, fast jeder Optiker pflegt firmeneigene Bezeichnungen und bei Nachfragen sind viele Hotlines nicht erreichbar.

"Die Qualität muss im Vordergrund stehen"

Traditionalisten ist das junge Web-Geschäft ein Dorn im Auge. "Im Internet besteht das Angebot lediglich aus der Anfertigung und dem Versand der Brillen", kritisiert Thomas Truckenbrod, Präsident des ZVA. Augenoptische Untersuchungen böten die Online-Anbieter dagegen nicht an. Deshalb würden Optiker mit Beratung vor Ort auch künftig "Kundschaft binden".

Beraten werden Kunden bei Mister Spex allerdings auch - wenn auch nur telefonisch. Rund 20 Optiker arbeiten in Berlin, zehn davon sitzen jeden Tag am Telefon. Graber bietet seinen Käufern außerdem an, dass diese bei einem der 330 Partneroptiker bundesweit einen Sehtest machen und die fertige Brille individuell anpassen lassen. Kostenlos. Ist er Fielmanns Alptraum? "Nein", sagt Graber, "ein Mitstreiter".

Grabers Online-Konkurrent Brille24 in Oldenburg hat 2012 nach eigenen Angaben 270.000 Brillen im Netz verkauft - 30 Prozent mehr als 2011. Die Norddeutschen lassen in Asien fertigen, dadurch sind sie billig, bieten aber keine Markenbrillen an.

Auf einen Preiskampf im Netz will Graber sich nicht einlassen. Die Qualität müsse im Vordergrund stehen, sonst gehe ein Kunde nach dem ersten Online-Kauf gleich wieder verloren. "Brillen bleiben auch im Internet noch immer ein Handwerksprodukt, das eine hohe Qualität aufweisen muss."

Bislang scheint das neue Geschäftsmodell zu funktionieren. Der Umsatz von Mister Spex lag 2012 bei 26 Millionen - ein Plus von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Um noch schneller zu wachsen, hat das Unternehmen im Mai von drei Großinvestoren 16 Millionen Euro eingesammelt - und einen Großteil davon gleich wieder ausgegeben: Ende Juli kaufte Graber die schwedischen Online-Shops Lensstore und Loveyewear. Mit ihrer Hilfe soll der Umsatz von Mister Spex schon bis Ende des Jahres auf 48 Millionen Euro steigen.

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