

Es war ein historischer Rekord. Zum vierten Mal legte Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown am Montag den Amtseid ab. 40 Jahre waren vergangen seit seinen ersten zwei Legislaturperioden (1974 bis 1983) - und 22 Jahre seit seiner Pensionierung, die er 2011 abgebrochen hatte, weil er es noch einmal wissen wollte.
Sein Haar ist grauer und schütterer, seine Stimme brüchiger. Sonst aber gibt sich der inzwischen 76-jährige Demokrat dynamischer denn je: "Wir müssen auf Fels bauen, nicht Sand, damit unser Haus hält, wenn der Sturm kommt", donnerte er in seiner Antrittsrede, die ganz im Zeichen des Umweltschutzes stand.
Entsprechend die erste Dienstreise seiner vierten Amtszeit: Schon an diesem Dienstag reist Brown nach Fresno, einer Stadt im Central Valley, die einst während des Goldrauschs entstand. Nach langer Verzögerung will er dort endlich den Spatenstich setzen für ein Mammutprojekt, das einen neuen kalifornischen Goldrausch einleiten soll - Amerikas allererster "Bullet Train" nach japanisch-europäischem Vorbild.
1200 geladene Gäste werden sich dazu in einer staubigen Ecke der Innenstadt drängen, auf dem Gelände einer abgebrannten Großhalle des Lebensmittelkonzerns Del Monte. Dort soll ein futuristischer Schnellbahnhof entstehen, als Schaltstelle einer Highspeed-Strecke von Los Angeles nach Sacramento und San Francisco - 1300 Kilometer Schienen, die aus dem Autostaat Kalifornien einen Eisenbahnstaat machen sollen.
68 Milliarden Dollar kostet das Projekt
Mit bis zu 350 Stundenkilometern sollen Superschnellzüge den bevölkerungsreichsten, drittgrößten US-Bundesstaat durchschneiden. Das inzwischen mehr als 68 Milliarden Dollar teure Jahrhundertvorhaben wäre ein erster, wenn auch mühsamer Schritt, Amerikas marode Infrastruktur für das 21. Jahrhundert fit zu machen - eine Vision, die in der Politik freilich bis heute vehemente Gegner findet.
Nicht so bei Brown: Die Highspeed-Rail (HSR) ist, wenn auch ungeplant, sein Lebenswerk geworden. Ursprünglich initiierte er das ambitionierte Unterfangen 1982, zum Ende seiner ersten Doppelamtszeit als Gouverneur.
Damals verlachten seine Gegner die Idee als "Zug nach Nirgendwo". Es kamen und gingen vier weitere Gouverneure, zuletzt Arnold Schwarzenegger, die wenig Interesse an dem Projekt hatten, bevor Brown 2010 erneut gewählt und 2014 wiedergewählt wurde - nach einem Wahlkampf, in dem er die Hochgeschwindigkeitsbahn zur Priorität gemacht hatte.
Die ersten Züge sollen 2028 rollen. Bis dahin dürfte die Einwohnerzahl Kaliforniens von 38 auf 60 Millionen anwachsen - Autos und Freeways allein werden die nicht transportieren können.
Trotzdem ändert sich der HSR-Fahrplan stetig. Der Bau sollte schon vor zwei Jahren beginnen, doch Klagen von Anwohnern, Umweltschützern und privaten Bahnunternehmen kämpfen sich durch die Instanzen. Darunter auch die Klage eines texanischen Ölkonzerns, der an der Hochgeschwindigkeitstrasse Immobilien besitzt.
Die zuständige Landesbehörde, die California High-Speed Rail Authority (CHRA), erinnert hingegen gerne daran, dass selbst Kaliforniens berühmtestes Verkehrsprojekt anfangs auf Proteste stieß - die Golden Gate Bridge: Deren Bau konnten selbst 2300 Klagen nicht stoppen.
Die Republikaner lehnen das Projekt ab
So kommt es, dass auch die HSR-Finanzierung bisher nicht vollends gesichert ist - und die Rechnung immer teurer wird. Geldspritzen aus Washington kann die CHRA sowieso abschreiben: Die Republikaner, die den Kongress kontrollieren, lehnen das Projekt - wie alle Infrastrukturverbesserungen - ab.
"Jetzt ist es noch unwahrscheinlicher, dass sie staatliche Hilfen bekommen", warnt der US-Kongressabgeordnete Kevin McCarthy, der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, durch dessen Wahlbezirk die Schnellbahn verlaufen soll. "Ihr Geschäftsplan ist nicht tragbar."
In der Tat hat sich die CHRA mit schlampigen Kostenrechnungen lange keinen Gefallen getan. Das soll nun vorbei sein: Die Frage sei nicht mehr, ob der Traum wahr würde, sagte CHRA-Vorstandchef Jeff Morales SPIEGEL ONLINE schon letztes Jahr - "sondern wann".
Davon erhofft sich auch der deutsche Siemens-Konzern ein Milliardengeschäft: Dessen US-Dependance, die in Sacramento Straßen- und Vorortbahnen baut, ist eines von zehn Unternehmen weltweit, die um den Zuschlag für die Hochgeschwindigkeitszüge bieten. Konkurrenten sind unter anderem Bombardier aus Kanada und Alstom aus Frankreich.
Andere hoffen, das Hochgeschwindigkeitsprojekt weiterhin blockieren zu können. "Gouverneur Brown hetzt immer noch Zügen hinterher", ätzte Kristin Olsen, die republikanische Oppositionschefin im Landesparlament, nach Browns Vereidigungsrede. "Währenddessen haben wir in Kalifornien echte Bedürfnisse."
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Nach jahrzehntelangem Aufschub soll in Kalifornien die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke der USA entstehen.
Die Superzüge sollen mit einer Geschwindigkeit von 350 Stundenkilometern in nur drei Stunden von Sacramento bis Los Angeles fahren.
Rund um Madera am Fresno River begannen Subunternehmer im Sommer 2014 mit dem Bau einer Teststrecke - nun soll die echte Trasse kommen.
In dem Testbereich haben Ingenieure zunächst die Bodeneigenschaften überprüft. Der offizielle Spatenstich für das 68-Milliarden-Dollar-Vorhaben erfolgt nun, die ersten Züge sollen 2028 fahren.
"Wir hoffen, dass wir bald anfangen können", sagt Armin Kick vom Siemens-Konzern, der sich um den Bau der Züge bewirbt. Der Auftrag passt auch gut in die neue aggressive USA-Strategie von Siemens-Chef Joe Kaeser.
Eine Wiese am Rande des Siemens-Geländes in Sacramento ist schon reserviert, für eine Fabrikhalle, in der die neuen Hochgeschwindigkeitszüge gebaut werden sollen. Hier stellt Siemens Nahverkehrszüge und Straßenbahnen für Städte wie San Diego, Atlanta und Minneapolis her.
Seit 1992 produziert Siemens in dem 35.000 Quadratmeter großen Werk im Jahr rund hundert Bahnwaggons.
Auch Elektroloks entstehen hier. Die ersten übergab Siemens Anfang 2014 feierlich an das amerikanische Bahnunternehmen Amtrak.
Viele Bestandteile der Züge werden in Handarbeit zusammengeschweißt.
Siemens' Bahn-Design für die USA beruht auf seinem europäischen Velaro-Modell, einer Weiterentwicklung des ICE 3.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden