Zuschuss erhöht Bund stützt gesetzliche Krankenkassen mit weiteren Milliarden

Symbolbild Krankenkasse: Der TK-Chef will die Ausgaben drücken
Foto: Daniel Karmann / dpaDie gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sollen im neuen Jahr eine zusätzliche Milliardenspritze vom Bund bekommen, um die Beiträge stabil zu halten. Das sieht eine Verordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, die das geschäftsführende Kabinett auf den Weg gebracht hat.
Im Einvernehmen mit dem Finanzressort soll der Zuschuss für 2022 demnach nochmals um sieben Milliarden Euro aufgestockt werden – auf dann insgesamt 28,5 Milliarden Euro. Der Bundestag muss noch zustimmen.
Die Kassen begrüßten die Schritte, forderten mit Blick auf die neue Regierung aber auch grundsätzliche Entscheidungen zur finanziellen Stabilisierung.
Die jetzige Koalition hatte bereits gesetzlich festgelegt, dass der Bund 2022 zunächst sieben Milliarden Euro als Extrazuschuss an die Kassen gibt – über die regulären 14,5 Milliarden Euro hinaus. Bei Bedarf sollte dieser ergänzende Zuschuss aber so erhöht werden können, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag, den die Versicherten zahlen, das heutige Niveau von 1,3 Prozent nicht übersteigt. Der zuständige Schätzerkreis hatte kürzlich sieben Milliarden Euro als Mehrbedarf für 2022 ermittelt.
Zahlt der Bund zu wenig für erkrankte Arbeitslose?
Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbands, sagte der Nachrichtenagentur dpa: »Jetzt kommt es darauf an, dass der Bundestag bis Mitte November zustimmt, damit die Kassen eine verbindliche Basis für ihre Haushaltsplanung 2022 haben.« Das Gesundheitsministerium betonte in der Vorlage, durch die Beitragsstabilisierung leiste der Bund »einen erheblichen Beitrag zur Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent und damit zur schnelleren Erholung der Wirtschaft nach der Covid-19-Pandemie.«
Pfeiffer fordert mittelfristig grundsätzliche Entscheidungen, um die Kassenfinanzen zu stabilisieren. »Hier ist die neue Bundesregierung gefordert.« Sie müsse endlich das Problem der »Unterfinanzierung« der Versorgung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern lösen. Die Beiträge, die der Bund für sie entrichtet, seien deutlich zu niedrig. Dabei gehe es um mehr als zehn Milliarden Euro jährlich, auf Kosten der Beitragszahlenden.
Zudem gehe ein großer Teil der Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern jedes Jahr für die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel drauf. 2022 seien das schätzungsweise neun Milliarden Euro. Schon der ermäßigte Steuersatz würde die gesetzliche Krankenversicherung um knapp sechs Milliarden Euro entlasten.
»Es ist nicht nachvollziehbar, dass für Austern, Schnittblumen und Ölgemälde lediglich der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent fällig wird, für Krebsmedikamente und Blutdrucksenker dagegen mit 19 Prozent von den Krankenkassen mehr als doppelt so hohe Steuern zu bezahlen sind«, sagte Pfeiffer.
Techniker Krankenkasse will die Zahl der Klinikbetten kürzen
Angesichts stetig steigender Ausgaben müsse auch der bestehende Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen dynamisiert werden. »Wenn bei steigenden Ausgaben der Bundeszuschuss eingefroren ist, wird er schleichend Jahr für Jahr entwertet.«
Jens Baas von der Techniker Krankenkasse fordert die Ampel-Parteien gar zu tiefgreifenden Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung auf: »Die neue Bundesregierung wird den Bundeszuschuss weiter hoch halten müssen. Gleichzeitig ist aber auch zu befürchten, dass sie die Beiträge leicht steigen lassen wird und damit die Sozialgarantie innerhalb der nächsten vier Jahre beerdigt«, sagte er dem »Handelsblatt«. Die Sozialgarantie besagt, dass die Sozialbeiträge die Marke von 40 Prozent nicht überschreiten. »Fällt die Marke erst einmal, könnten die Beiträge schnell steigen«, sagte Baas. »Deswegen ist mein Plädoyer: Wir müssen an die Ausgaben ran. In den vergangenen acht Jahren wurde das System nur teurer.«
Baas forderte unter anderem eine Krankenhausreform mit dem Ziel, die Bettenzahl deutlich zu reduzieren. Er gehe davon aus, dass 100.000 der 500.000 Krankenhausbetten in Deutschland überflüssig seien, sagte der TK-Chef. »Zum einen sind die Betten im Schnitt nur zu 77 Prozent ausgelastet. Zum anderen schätzen wir, dass jede fünfte Krankenhausbehandlung nicht stationär erfolgen müsste.« Wirksame Sofort-Maßnahmen seien auch bei den Pharmapreisen möglich, etwa durch einen höheren verpflichtenden Herstellerrabatt und eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Medikamente.