Neuausrichtung gefordert Rechnungshof zerpflückt die Klimapolitik der Bundesregierung

Windkraftanlage in NRW: »Mit den bisherigen Maßnahmen wird es nicht gelingen, Deutschlands Klimaschutzziele zu erreichen«
Foto: Oliver Berg / dpaIn einem Sonderbericht zur Steuerung des Klimaschutzes hinterfragt der Bundesrechnungshof die deutsche Klimapolitik – und kritisiert sie in weiten Teilen als wirkungslos.
Sämtliche Klimaschutzmaßnahmen müssten umgehend auf den Prüfstand, heißt es in dem Bericht , eine Neuausrichtung sei dringend geboten. Konkret bemängeln die Prüfer, dass Milliardenbeträge für nicht oder nur wenig wirksame Programme ausgegeben würden. Die Steuerung und Koordinierung sei mangelhaft.
»Die Regierung muss umgehend die Voraussetzungen schaffen, dass die vielen Haushaltsmittel auch beim Klimaschutz ankommen«, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller.
In einer Mitteilung zu dem Gutachten heißt es: »Mit den bisherigen Maßnahmen wird es nicht gelingen, Deutschlands Klimaschutzziele zu erreichen.« Statt der angestrebten Treibhausgasminderung von 65 Prozent bis 2030 – bezogen auf das Basisjahr 1990 – seien voraussichtlich nur 49 Prozent zu erreichen.
65 Milliarden für umweltschädliche Maßnahmen
Die neue Bundesregierung habe zwar mehr Tempo und weitere Maßnahmen angekündigt. »Das allein wird aber nach unserer Überzeugung nicht ausreichen«, sagte Scheller – und verweist auf die bisher schlechte Steuerung und Koordinierung.
Scheller monierte, dass der Bund seine Ziele und seine teuren Klimaschutzmaßnahmen gar konterkariere, indem er weiterhin klimaschädliche Subventionen in Milliardenhöhe zulasse. So hätten laut Bundesfinanzministerium Finanzhilfen von 16 Milliarden Euro für das vergangene Jahr einen positiven Bezug zu den deutschen Umwelt- und Klimazielen aufgewiesen. Fast gleichzeitig habe das Umweltbundesamt Subventionen von 65 Milliarden Euro im Jahr 2018 als umweltschädlich bewertet.
Der Bundesrechnungshof empfiehlt, diese Subventionen abzubauen. Bei allen Klimaschutzmaßnahmen sollten künftig konkrete Zielwerte für die Minderung von Treibhausgasen festgelegt werden.
Die Regierung müsse die Milliarden für den Klimaschutz dorthin lenken, wo sie am meisten Wirkung erzielen. Im Haushalt sei bei Einnahmen und Ausgaben auszuweisen, ob sie das Erreichen der Klimaschutzziele fördern oder erschweren. Nötig sei eine wirksame Koordinierung der Klimaschutzaktivitäten aller Ressorts. Zudem müsse die Regierung die bislang wenig aussagekräftigen jährlichen Klimaschutzberichte zu einem echten Monitoringinstrument ausbauen.
Rechnungshof: Regierung überblickt noch nicht mal die bestehenden Klimaschutzprogramme
Das Sondergutachten kann als eine Art Abrechnung mit der Arbeit der alten Bundesregierung – und als dringliche Aufforderung zu einem Kurswechsel für die neue Ampelkoalition gesehen werden. Laut Scheller hat die Regierung aktuell noch nicht einmal einen genauen Überblick, wie viele Programme und Maßnahmen es zum Klimaschutz gibt.
Und: »Klimapolitik ist nicht nur Ausgabenpolitik«, teilen die Prüfer mit. Neben Förderprogrammen gebe es etwa den nationalen Emissionshandel, Steuervergünstigungen sowie Investitionen in die Infrastruktur. »Dieser Mix kann nur optimal wirken, wenn die Instrumente aufeinander abgestimmt sind.«
Bei den meisten der derzeit mehr als hundert Förderprogrammen sei darüber hinaus auch noch unklar, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie zur Treibhausgasminderung beitragen. »Dadurch fließen Haushaltsmittel in für den Klimaschutz wirkungslose und ineffiziente Programme. Das erschwert und gefährdet die Erreichung der Klimaziele«, bemängelt der Bundesrechnungshof.
Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs
Konkret nannte dieser das Klimaschutzprogramm 2030 vom Oktober 2019. Dieses umfasse 96 sektorale und sektorübergreifende Maßnahmen zur Emissionsminderung. Vermutlich führten aber nur vier von ihnen zu signifikanten Emissionseinsparungen. Scheller: »Das sind hauptsächlich die Maßnahmen zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung und der Ausbau der erneuerbaren Energien.«
Besonderen Handlungsbedarf sieht der Bundesrechnungshof bei der ressortübergreifenden Koordinierung der Klimaschutzpolitik. »Das sogenannte Klimakabinett führt bislang nur ein Schattendasein. Es sollte in der letzten Legislaturperiode die Ressortaktivitäten steuern und koordinieren, tagte aber nur einmal«, kritisierte der Bundesrechnungshof-Präsident.