Kohleausstieg Regierung prüft umstrittene Entschädigung für Braunkohlekonzern Leag

Leag-Kraftwerk Jänschwalde im Lausitzer Revier
Foto: Patrick Pleul/ DPADas Gesetz zum Kohleausstieg soll ein Kapitel Industriegeschichte beenden. Dabei will die Regierung den gesellschaftlichen Frieden wahren und zugleich Klagen der Energiekonzerne verhindern. Dafür war sie bereit, in ihrem Regelungsentwurf, der diese Woche das Kabinett passiert hat, fast vier Milliarden Euro auszugeben. Den Großteil bekommt der Essener Energieriese RWE, dessen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier den Anfang beim Ende der Kohleverstromung machen sollen.
Doch auch das ostdeutsche Unternehmen Leag soll laut Gesetz mit 1,75 Milliarden Euro entschädigt werden. Dabei bezweifeln Energieexperten und Umweltverbände, dass der Konzern durch das Kohleausstiegsgesetz wesentlich schneller Schluss mit der Stromproduktion machen muss, als ohnehin vorgesehen. Nahrung haben diese Zweifel durch Dokumente erhalten, die der SPIEGEL in der vergangenen Woche enthüllt hat.
Nun reagiert die Regierung auf die Vorwürfe und entsprechende Nachfragen der Opposition im Bundestag. Sie will von externen Gutachtern klären lassen, ob die Entschädigungszahlungen an die Leag gerechtfertigt sind. Das sicherte ein Vertreter des Bundesumweltministeriums nach SPIEGEL-Informationen den Mitgliedern des Umweltausschusses im Bundestag zu.
Das Unternehmen betreibt Braunkohlegruben und Kraftwerke in der Lausitz. Im Frühjahr 2016 war es von tschechischen Investoren übernommen worden. Der Verkäufer, der schwedische Vattenfall-Konzern, überwies damals weit über eine Milliarde Euro an Rückstellungsgeldern für die Rekultivierung der Tagebauten an die Tschechen.
Aus den Verkaufsverhandlungen stammen auch Unterlagen, die einen Geschäftsplan enthalten. Aus diesem sogenannten "Planungsszenario S1A" ergibt sich, dass die Schließung der Kraftwerke etwa in Jänschwalde und Boxberg in einem ähnlichen Zeitraum geplant war, wie sie nun im Gesetz zum Kohleausstieg vorgesehen ist. Auch die Kohlemengen, die laut Geschäftsplan noch gefördert werden sollen, sind nach Berechnungen des Öko-Instituts fast identisch mit dem jetzt vereinbarten Ausstiegspfad bis zum Jahr 2038.
Der Verdacht steht deshalb im Raum, dass das Unternehmen eine Entschädigung bekommt, ohne Anlagen früher stillzulegen als in der Vergangenheit bereits vorgesehen. Dies ist nicht nur brisant, weil möglicherweise Steuergelder unnötig ausgegeben werden. Interessieren dürfte sich für diese Unterlagen auch die EU-Kommission. Sie muss die Zahlungen für die Energiekonzerne im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes darauf untersuchen, ob sie eine unzulässige Subvention des Staates an die Unternehmen darstellen. Diese Prüfung soll nach Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag erfolgen. Erste Gespräche über dieses Thema zwischen Brüssel und dem Bundeswirtschaftsministerium gab es aber bereits.
Die Opposition kritisiert die geplanten Zahlungen an die Leag. "Wir können uns keine Entschädigungen fürs Nichtstun leisten", sagt die Grünen-Klimaexpertin Lisa Badum. Die Grünen lehnen die hohen Ausgaben für die Leag insbesondere im Lichte der Regierungsentscheidung ab, das neu gebaute Steinkohlekraftwerk Datteln 4 noch ans Netz gehen zu lassen. Die Ökopartei hält das angesichts des beschlossenen Kohleausstiegs für das falsche Signal. Die Regierung dagegen begründet den Beschluss mit zu hohen Entschädigungen, die bei einem Aus für den Meiler in Datteln fällig geworden wären.
Das Kohleausstiegsgesetz regelt neben der Schließung der Kraftwerke auch die Anpassungsgelder für die Beschäftigten in Kohlegruben und Kraftwerken. Es soll sicherstellen, dass die deutschen Klimaziele für 2030 erreicht werden. Zudem soll in einigen Jahren überprüft werden, ob der Ausstieg aus der Kohlewirtschaft auf das Jahr 2035 vorgezogen werden kann.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, das Foto zeige das Kraftwerk Schwarze Pumpe. Gezeigt wird aber das Kraftwerk Jänschwalde. Wir haben die Bildunterzeile korrigiert.