Treibhausgas CO2 Rohstoff statt Schadstoff

Kraftwerk in Moss Landing: Zement aus CO2
Foto: CorbisHamburg - Deutschland debattiert über die Energiewende: Der Ausbau der Offshore-Windenergie dauert Kritikern zu lange. Andere rügen die hohen Förderkosten bei der Solarförderung. Die Wissenschaft indes denkt längst weiter. In den USA und in der Bundesrepublik tüfteln Erfinder an Konzepten, die für den Klimaschutz weit größere Auswirkungen haben können als Millionen Windräder und Solarpaneele.
Es geht um nicht weniger als um das Grundverständnis, was Kohlendioxid ist. Bislang gilt CO2 als Gift, das aus Fabrikschloten und Auspuffen dringt und den Klimawandel anheizt. Nun aber soll der Schadstoff zum Rohstoff werden. Eine Reihe von Firmen entwickelt Verfahren, um das Klimagas abzusaugen, in Container zu pressen und dort zu ganz unterschiedlichen Produkten weiterzuverarbeiten.
Manche experimentieren mit Mikroalgen, die sich von CO2 ernähren und gleichzeitig Biosprit produzieren. Andere verarbeiten CO2 zu Methan, speisen es ins Erdgasnetz ein - und wollen die Leitungen so zu einem gewaltigen Speicher für Solar- und Windenergie umfunktionieren. Und wieder andere, wie die kalifornische Firma Calera , wollen aus dem Klimagas sogenannten Klinker herstellen - den Hauptbestandteil von Zement. Statt in der Atmosphäre würde sich das CO2 so künftig in der Bausubstanz von Straßen und Häusern befinden.
All diese CO2-Projekte folgen einer kühnen Energievision: Statt hohe Strafsteuern gegen den Ausstoß von Kohlendioxid zu erheben, statt es gegen massiven Protest der Bevölkerung im Boden zu verpressen, sollen sich Firmen künftig um den Rohstoff CO2 reißen. 2011 lag der globale CO2-Ausstoß bei 34 Milliarden Tonnen. Für das Weltklima ist das viel zu viel; doch wenn es genug Verfahren zur Nutzung des Gases gäbe, wäre CO2 plötzlich eine wertvolle Ressource. So lautet das Kalkül.
Noch ist das Zukunftsmusik. Noch werden solche Verfahren nur in kleinen Pilotanlagen getestet. Teils geht es mit der Technik jahrelang kaum voran. Einige Firmen, die vor kurzem noch als mögliche Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen gehypt wurden, dürften zum Millionengrab werden. Die Hoffnung, das Google der CO2-Weiterverarbeitung zu entdecken, lässt die Investorenmillionen dennoch weiter sprudeln.
Riskantes Investment
Die Firma Calera etwa hat seit ihrer Gründung im Jahre 2007 einen hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag eingesammelt. Obwohl es an der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens von Anfang an Zweifel gab.
Neben einem Gaskraftwerk an der kalifornischen Montery Bay testet Calera seit Jahren seine CO2-Zementfabrik, pumpt Abgase in blaue Container, besprüht sie mit dem Wasser des Pazifiks und mit Chemikalien, filtert eine weiße Paste heraus und trocknet diese mit der Abwärme des Abgases zu Zementklinker.
Jede Tonne Zement sollte nach Angaben des Unternehmens mindestens 400 Kilogramm CO2 binden. Zudem sollte CO2 vermieden werden, das sonst bei der Herstellung von herkömmlichen Zement angefallen wäre - ein äußerst energieintensiver Herstellungsprozess. "Mit dieser Technologie kann Kohle sauberer als Solar oder Wind sein", werbetextete der Silicon-Valley-Investor Vinod Khosla, der allein mindestens 50 Millionen Dollar in Caletra gesteckt hat, gegenüber der "New York Times" .
Doch inzwischen ist es ruhig um Calera geworden. 2011 verließ Gründer Brent Constantz das Unternehmen. Die Web-Seite zeigt seitdem keine aktuellen Entwicklungen. Und die Firma beantwortet Fragen zu Geschäften nur knapp per Mail. Investor Khosla ließ eine Anfrage unbeantwortet.
Umso bereitwilliger spricht Ken Caldeira, ein Wissenschaftler der Carnegie-Abteilung an der Stanford-Universität und Caleras wohl schärfster Kritiker. "Um den Zement herzustellen, muss das Unternehmen dem Wasser zusätzlich Stoffe zuführen, die den PH-Wert anheben", sagt er. Doch würde man solche Stoffe aus dem Ozean schöpfen, würde der Ozean CO2 abgeben. Eine klimaneutrale Lösung sei das nicht.
Unterm Strich erwies sich der Herstellungsprozess zudem offenbar als zu teuer. "Offenbar produziert Caleras Technologie Zement, der drei Mal so teuer ist wie herkömmlicher", schreibt die Energiejournalistin und Silicon-Valley-Kennerin Katie Fehrenbacher . Calera selbst teilt mit, man konzentriere sich derzeit auch hochwertige Anwendungen, in denen sich das Verfahren rechne.
Gas aus Ökostrom
Nicht weniger Geld fließt derzeit eine deutsche Technik: das sogenannte Power-to-Gas-Verfahren, durch das Ökostrom in Erdgas umgewandelt wird. Der Grundgedanke ist simpel: Schon jetzt wird bei kräftigem Wind oder Sonnenschein in einigen Regionen Deutschlands weit mehr Ökostrom produziert als von den Netzen aufgenommen werden kann. In der Folge werden Windräder oder Solaranlagen gedrosselt oder abgeschaltet - der Strom hat keinen Platz und somit keinen Wert.
Dieser überschüssige Strom soll nun als Energiezufuhr genutzt werden, um Wasser (H2O) in Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) zu spalten. Der Wasserstoff wird mit CO2 verbunden. Daraus entsteht ein Methangas (CH4).
Offiziell vorgestellt haben Michael Specht vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und Michael Sterner vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) ihre Technik kurz nach der Atomreaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Jetzt, rund anderthalb Jahre später, zählt der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachesbereits 18 geplante Power-to-Gas-Projekte in der Bundesrepublik , vier Anlagen sind bereits im Betrieb. Die bisherigen Investitionen belaufen sich Sterner zufolge auf gut 100 Millionen Euro.
Umweltminister Peter Altmaier (CDU) erwähnt das Projekt immer wieder wohlwollend. Andere dagegen warnen vor einem womöglich kostspieligen Hype. Denn die noch unausgereifte Technologie krankt an mangelnder Wirtschaftlichkeit: Durch die aufwändige Umwandlung des Stroms in Wasserstoff und Methan und die anschließende Rückverstromung gehen die Hälfte bis zwei Drittel der ursprünglichen Energie verloren.
Aus eigener Kraft rechne sich die Technik noch nicht, räumen die Betreiber ein. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney schätzt, dass Power to Gas für die Megawattstunde Gas rund 80 Euro verlangen müsste - das Dreifache des Großhandelspreises für konventionelles Gas.
Noch sind Verfahren zur CO2-Nutzung eine unwirtschaftliche Zukunftstechnologie. Noch ist nicht klar, dass Investoren die vielen Millionen, die sie in die Projekte stecken irgendwann wiederbekommen. Sollte eines der Konzepte aber tatsächlich einmal konkurrenzfähig werden, würden nicht nur die Investoren unermesslich reich werden. Die Technologie hätte auch das Zeug, die großen globalen Klimaprobleme zu lösen.