Coronahilfen für die Wirtschaft Die Shutdowns kommen schneller als das Geld

Galgenhumor: Schild vor einer Gaststätte in Bayreuth
Foto: Foerster /Eibner-Pressefoto / imago imagesFrohes neues Jahr? Für viele Unternehmer und Selbstständige beginnt 2021 ähnlich unfroh wie das Vorjahr endete. Denn mit den neuen Beschlüssen von Bund und Ländern wird der Shutdown verlängert – und damit auch die massiven Einbußen, die viele Betriebe im vergangenen Jahr erlitten haben. Umso drängender wird die Frage, wann Betroffene auf Unterstützung hoffen dürfen und ob die bisher beschlossenen Hilfen ausreichen.
Aktuell laufen mehrere Hilfsprogramme (siehe Grafik). Zum einen die sogenannten November- und Dezemberhilfen. Über sie bekommen Unternehmen, die direkt oder indirekt von den Schließungen am Jahresende betroffen waren, 75 Prozent ihres Umsatzes erstattet. Zum anderen die Überbrückungshilfe III. Über sie werden Fixkosten wie etwa die Miete ersetzt, wenn Unternehmen, Soloselbständige oder Freiberufler von Schließungen betroffen sind oder Umsatzeinbrüche von mindestens 40 Prozent erleiden.
Die Überbrückungshilfe III kann bis zu 500.000 Euro betragen, die Gesamtkosten der November- und Dezemberhilfe betragen rund 30 Milliarden Euro. Imposante Summen, doch kommt das viele Geld mit großer Verzögerung bei den Betroffenen an. So wurden am Dienstag laut Wirtschaftsministerium erstmals Gelder aus den Dezemberhilfen ausgezahlt.
Kein Wunder, schließlich konnten die Mittel erst seit dem 23. Dezember beantragt werden, die Novemberhilfen seit dem 25. November. Zudem handelt es sich zunächst nur um Vorschüsse auf die Gesamtsumme, weil die EU die Hilfen noch nicht abgesegnet hat. Die vollständige Auszahlung der Novemberhilfe soll laut dem neuen Beschluss von Bund und Ländern »spätestens ab dem 10. Januar 2021« erfolgen. Auch für die Überbrückungshilfe III sind Abschlagszahlungen geplant, die ersten regulären Auszahlungen sollen laut Beschluss »im ersten Quartal 2021 erfolgen«. Die Shutdowns kommen also viel schneller als die Hilfen.
Das passt nicht zur von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beschworenen »Bazooka« und der Devise »Nicht kleckern, sondern klotzen«, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für die Hilfen ausgab. »Während viele Menschen noch immer auf die Novemberhilfen warten, laufen die Dezemberhilfen nur langsam an«, kritisierte der FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben. Der Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Völz, bezeichnete den Start der Dezemberhilfen als »ersten Lichtblick«, dem aber ein »Drängen nach schneller Auszahlung der von den Unternehmen dringend benötigten Liquidität« vorausgegangen sei.
Warten auf Brüssel
Doch warum dauert die Auszahlung so lange? In Berlin verweist man bei dieser Frage auch auf Brüssel. Die Umsatzerstattung größerer Summen muss noch von der EU-Kommission genehmigt werden, weil es sich dabei um eine neue Systematik handelte. Nach SPIEGEL-Informationen sind die Anträge dafür vom Wirtschaftsministerium erst am 23. Dezember bei der Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager eingegangen.
Im Ministerium von Peter Altmaier rechnet man dennoch bis zur Mitte des Monats mit einer überwiegend positiven Antwort. Die Vorgespräche seien sehr einvernehmlich verlaufen, heißt es aus der Bundesregierung. Probleme könnte es am ehesten bei einer Kategorie geben, die erst spät aufgenommen wurde: sogenannte mittelbar indirekt betroffene Unternehmen. Diese müssen mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze mit indirekt betroffenen Firmen machen, die wiederum 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungen Betroffenen machen. Das könnte etwa ein DJ sein, der für eine Veranstaltungsfirma arbeitet, die ihr Geld vor allem mit Hotels verdient.
Doch nicht nur die EU-Bürokratie sorgte für Verzögerungen, sondern auch die Programmierung der Software zur Beantragung der Hilfen. Und während Unternehmen noch auf Hilfen für das Vorjahr warten, stellt sich längst die Frage, wie es in den kommenden Monaten weitergehen soll. Schließlich könnte der Shutdown noch mehrfach verlängert und verschärft werden.
In der Bundesregierung geht man derzeit nicht davon aus, dass nach der Verlängerung des Shutdowns weitere Hilfsinstrumente eingerichtet werden müssen. »Sie sollen bis zum Sommer laufen«, heißt es über die Überbrückungshilfen III, »neue Instrumente sind nicht nötig«. Die Beamten haben ohnehin noch damit zu tun, das neue Programm verwaltungstechnisch auf den Weg zu bringen. Auch hier könnten beihilferechtliche Probleme mit Brüssel zu lösen sein. Dazu muss aber erst einmal die entsprechende Regelung fertiggestellt werden, an der noch fieberhaft gearbeitet wird.

Wie lange noch? Verwaiste Einkaufsstraße in Essen
Foto: Jochen Tack / imago imagesDoch Vorschläge für Nachbesserungen werden bereits laut. So solle der Staat erwägen, ob er »bei einem längeren Lockdown einen größeren Teil der Fixkosten übernimmt«, sagte Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Er regte auch an, gewerbliche Vermieter stärker an den Krisenkosten zu beteiligen. Schon während des Lockdowns im Frühjahr hatte es eine entsprechende Debatte gegeben – auch weil Konzerne wie Adidas zeitweise die Zahlung von Ladenmieten eingestellt hatten. Die Regierung hatte damals zwar ein Kündigungsmoratorium beschlossen, die Mietschulden müssen aber bislang nachgezahlt werden.
Ein weiterer Hebel könnte erneut das Kurzarbeitergeld sein, das in der Coronakrise bereits ausgeweitet wurde. Guido Zeitler, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, forderte im »Handelsblatt« bei einem längeren Shutdown eine Aufstockung für seine Branche. »Ihre Löhne sind ohnehin oft viel zu niedrig«, sagte Zeitler im »Handelsblatt« über die Angestellten in der Gastronomie. »Das noch geringere Kurzarbeitergeld reicht also hinten und vorne nicht.« Linken-Chef Bernd Riexinger forderte eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent – bislang beträgt es maximal 80 Prozent.
Weiterhin beschäfigten werden die Regierungsbeamten auch mögliche Hilfen für einzelne Branchen. So lobbyiert die CSU derzeit für die Belange von Brauereigaststätten – also Lokalen, die direkt von Brauereien betrieben werden. Offen ist auch noch, aus welchem Topf die Hersteller von Feuerwerk zu entschädigen sind. Weil die Silvesterböllerei untersagt wurde, blieben sie auf ihrer Produktion für 2020 sitzen – definitiv kein froher Start ins neue Jahr.
Mit Material von dpa