Stornierungen wegen Corona EU-Kommission gegen Gutscheine für Reiseausfälle

Werden Reisen storniert, haben Kunden Anspruch auf Erstattung. In der Coronakrise wollen viele Firmen lieber Gutscheine anbieten. Die EU-Kommission will das nicht akzeptieren - appelliert aber an die Verbraucher.
Terminal 1 im Flughafen Frankfurt: Fluggesellschaften wollen ihre Kunden mit Gutscheinen entschädigen

Terminal 1 im Flughafen Frankfurt: Fluggesellschaften wollen ihre Kunden mit Gutscheinen entschädigen

Foto: Silas Stein/ dpa

Viele Fluggesellschaften und Reiseveranstalter wollen ihre Kunden für abgesagte Reisen mit Gutscheinen entschädigen. Doch die EU-Kommission hält am Anspruch auf Kostenerstattung wegen der Corona-Pandemie fest.

"Wir haben die Airlines und Reiseveranstalter an ihre Pflicht erinnert, die Verbraucher zu entschädigen", sagte der für Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissar Didier Reynders dem belgischen Nachrichtensender LN24. Dennoch rate er Verbrauchern, Gutscheine anstelle einer Erstattung zu akzeptieren.

Viele Airlines bieten derzeit ihren Kunden bei Flügen, die aufgrund der Pandemie storniert wurden, offensiv Umbuchungen oder Reisegutscheine an. Fluggesellschaften könnten aber nicht die Kostenerstattung mit Verweis auf einen Gutschein verweigern, sagte Reynders. "Das ist europäisches Recht."

System abgesicherter Gutscheine

Allerdings mache die Reisebranche gerade eine schwierige Phase durch, sagte er weiter. "Das Risiko ist, dass die Veranstalter pleitegehen." Die Verbraucher müssten sich im Klaren darüber sein, dass bei vermehrten Firmenpleiten, "das Recht auf Rückerstattung nicht mehr viel wert ist", sagte der Belgier weiter.

Die Kommission arbeite deshalb derzeit an einem System abgesicherter Gutscheine. Demnach sollen die Mitgliedstaaten Fonds auflegen, um die Auszahlung von Reisegutscheinen im Insolvenzfall zu garantieren.

Bundesregierung will Rückerstattungspflicht aussetzen

Die Bundesregierung hatte sich am Donnerstag dafür ausgesprochen, Veranstalter von Pauschal- und Flugreisen von der Rückerstattungspflicht bis Ende 2021 zu entbinden. Dafür bräuchte sie aber die Zustimmung aus Brüssel. Die zuständigen Ministerien richteten ein entsprechendes Schreiben an die EU-Kommission.

Für den Veranstaltungssektor, bei dem Berlin allein entscheiden kann, stellte das Corona-Kabinett der Bundesregierung bereits einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vor. Für wegen der Coronakrise ausgefallene Konzerte oder Fußballspiele sollen Verbraucher Gutscheine erhalten. Verbraucherschützer kritisierten den Schritt.

Bartsch: Bundesregierung lässt Reisekunden im Regen stehen

Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wandte sich gegen die von der Bundesregierung geplante Gutscheinlösung. "Die Bundesregierung lässt viele Reisekunden im Regen stehen. Der Gutscheinzwang darf so nicht bleiben. Es kann nicht sein, dass die Kunden den Rettungsschirm für die Reisebranche finanzieren müssen", sagte er.

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Die Reisebranche befinde sich in einer schweren Krise, aber die Kunden dürften nicht die Leidtragenden sein. "Sie haben Reisen im Vertrauen auf das bestehende Recht gebucht. Gutscheine müssen eine freiwillige Option bleiben."

Bartsch erneuerte Forderungen nach einem Bundesprogramm für die Reisebranche. "Viele Kunden brauchen das Geld, um über die nächsten Monate zu kommen. Zwischen Kundeninteressen und Branchenlobbyismus darf die Bundesregierung nicht einseitig Position beziehen."

brt/AFP/dpa
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