Panik an den Finanzmärkten Corona lässt die Banken beben

Frankfurter Finanzviertel: Die Kurse haben sich halbiert
Foto:Hannelore Förster/ imago images
Seit Tagen gleicht sich das Bild: Weltweit stürzen die Börsen ab - doch am schlimmsten erwischt es die Aktien großer Banken. Die Kurse von Commerzbank und Deutscher Bank, die noch bis Mitte Februar teils deutlich zugelegt hatten, weil die Investoren wieder Zutrauen in die Branche fassten, sind seitdem um rund 50 Prozent abgestürzt. In anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus.
Hierzulande ist Marktführer Deutsche Bank an der Börse inzwischen nur noch rund zehn Milliarden Euro wert, die Commerzbank gibt es schon für weniger als vier Milliarden Euro. Zum Vergleich: US-Konkurrent J.P. Morgan Chase verdiente im vergangenen Jahr 36,4 Milliarden Dollar, ein Vielfaches des kombinierten Marktwertes der beiden größten deutschen Kreditinstitute.
Wird also die Coronakrise zum Finanzmarkt-Armageddon, ähnlich wie in der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers? Werden Kunden Kassenschalter und Geldautomaten stürmen wie 2007 vor dem Zusammenbruch der britischen Northern Rock? Müssen Staaten wie 2008 Geldinstitute auffangen, ohne deren Kreditfluss das Wirtschaftssystem vollständig kollabieren würde?
Die gute Nachricht lautet: So weit ist es nicht. Die schlechte: Ausgeschlossen ist es auch nicht.
Die Banken stehen besser da als 2007
In ihrem Ursprung unterscheidet sich die derzeitige Krise fundamental von der der Jahre 2007 und 2008. Nicht das Versagen der Banken und die Gier ihrer Führungskräfte stürzen diesmal die Wirtschaft ins Chaos. Die jetzige Krise geht von der Realwirtschaft aus, weil das Coronavirus den Konsum und teilweise auch die Produktion zusammenbrechen lässt.
Zudem haben die großen Banken heute deutlich mehr Eigenkapital als vor 2008; sie können also Verluste, etwa durch ausfallende Kredite, leichter absorbieren, ohne gleich umzufallen. Und sie platzen fast vor Liquidität - sie haben also genug Geld, um ihre täglichen Geschäfte zu finanzieren und die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.
Die höheren Eigenkapitalquoten sowie die enormen Liquiditätspuffer sind Ergebnis der härteren Regulierung nach 2008 – und ein Leistungsnachweis derer, die daran festgehalten haben, obwohl die Bankenlobby und der politische Zeitgeist, allen voran in den USA, seit Jahren schon das Gegenteil anstreben.
Wahr ist aber auch, dass insbesondere Europas Banken seit Langem damit kämpfen, Geld zu verdienen - und das aus mehreren Gründen:
Die lange moderat wachsende Wirtschaft des Kontinents schwächelte schon vor der Coronakrise bedenklich.
Die Niedrigzinspolitik macht den Banken zu schaffen. Wenn sie das viele Geld, das die Kunden zu ihnen bringen, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie dafür sogar Strafzinsen zahlen.
Überdies haben die Kunden kaum Lust, in Wertpapiere zu investieren, was die Provisionseinnahmen drückt.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) glaubt daher, dass die Pandemie "zu keinem schlechteren Zeitpunkt für Europas Banken" hätte kommen können.
Hinzu kommt, dass die Zentralbanken und Regierungen mit diversen Notfallpaketen zwar bisher verhindert haben, dass die Kreditmärkte einfrieren. An den Aktien- und Anleihemärkten dagegen sind die Maßnahmen verpufft. Das gilt sogar für die überraschenden und monströsen Ankündigungen der amerikanischen Notenbank in den vergangenen Tagen: Am Donnerstag kündigte die Federal Reserve (Fed) an, 1,5 Billionen Dollar an Liquidität in den Kapitalmarkt zu pumpen, am Sonntagabend legte sie nach: Ihren Leitzins, den sie erst vor wenigen Tagen um einen halben Prozentpunkt gesenkt hatte, hat sie jetzt nochmals um einen ganzen Prozentpunkt auf 0 bis 0,25 Prozent reduziert. Zudem wird sie US-Staatsanleihen und Hypothekenpapiere im Umfang von 700 Milliarden Dollar kaufen.
Viele Firmen dürften pleitegehen
Das Ergebnis ist besorgniserregend, denn: Die Börsen setzen ihren freien Fall ungebremst fort, erste Unternehmen beantragen bereits Staatshilfen. Und die Zahl der Firmeninsolvenzen wird sich in den kommenden Wochen und Monaten dramatisch erhöhen. Airlines, Ölförderer und -zulieferer, die zudem unter dem Preiskrieg zwischen Saudis und Russen leiden, Firmen aus dem Gesundheitssektor – sie alle beginnen, ihre Kreditlinien voll auszuschöpfen, um über die Runden zu kommen, ohne sicher sein zu können, das Corona-Desaster zu überleben.
Dabei ist die Summe der Unternehmensschulden, relativ zur Wirtschaftsleistung, im Prinzip kein Problem. Zwar beziffert der Weltbankenverband Institute of International Finance (IFF) die globalen Schulden von Banken, Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten rund um den Globus inzwischen auf mindestens 250 Billionen Dollar und damit etwa 50 Prozent höher als 2008. Allerdings hat sich auch die globale Wirtschaftsleistung seit 2008 deutlich erhöht, sodass die relative Verschuldung annähernd konstant geblieben ist. Das Problem ist nur: Wenn zu viele Kredite auf einmal platzen, hält das die stärkste Bankbilanz nicht aus.
Vor allem am Anleihemarkt grassiert inzwischen die Angst vor Firmenpleiten. Hier haben sich Unternehmen durch die Ausgabe festverzinslicher Wertpapiere bei den Investoren verschuldet mit dem Versprechen, diese Schulden zu einem festgelegten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Doch je unwahrscheinlicher der Markt die Rückzahlung hält, desto mehr Investoren verkaufen die Anleihen. Die Folge: Die Kurse der Anleihen sinken, ihre Renditen - sprich: Risikoprämien - steigen. Dieser inverse Zusammenhang ist typisch für Anleihen.
Viele Unternehmensanleihen werden inzwischen zu so niedrigen Kursen und damit so hohen Renditen gehandelt, dass der Markt eine reale Pleitegefahr unterstellt – das gilt sogar für Anleihen solcher Unternehmen, die von ihren Bonitätsbewertungen her nicht als Ramsch, sondern einigermaßen solide gelten.
Da aber vielfach Banken und Fondsmanager diese Anleihen, genau wie Aktien, in ihren Portfolios halten, müssen sie deren Wert abschreiben und kommen selbst unter Druck. Allein die drei weltgrößten Fondsgesellschaften - Blackrock, Vanguard and State Street - haben in diesem Jahr bereits Buchverluste auf ihre Anlagen im Umfang von 2,5 Billionen Dollar hinnehmen müssen. Diese Fonds verwalten das Geld anderer Investoren, aber auch die Altersvorsorge von Millionen Kleinsparern.
Es war im Herbst 2019, als der Internationale Währungsfonds (IWF) eine düstere Warnung aussprach: Angesichts der schwachen Ertragslage vieler Firmen und der hohen absoluten Verschuldung, so der IWF, könnten womöglich auf 40 Prozent der Unternehmensanleihen im Wert von 19 Billionen Dollar nicht ausreichend Zinsen gezahlt werden, wie sie die Investoren erwarten – und zwar für den Fall, dass eine Finanzmarktkrise nur halb so schlimm wird wie die von 2008.
Der Weg dorthin, das steht nach einigen Wochen Coronakrise bereits fest, ist nicht mehr allzu weit.