Nach Verbot von Werkverträgen Fleischbetriebe stocken Stammbelegschaften kräftig auf

Die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen rückten die Arbeitsbedingungen ins Licht – die Bundesregierung reagierte mit einem Verbot von Werkverträgen. Nun stellen die Betriebe deutlich mehr Beschäftigte fest ein.
Schlachtbetrieb in Sachsen: Keine Bewegung bei Flächentarifvertrag

Schlachtbetrieb in Sachsen: Keine Bewegung bei Flächentarifvertrag

Foto: Jan Woitas / DPA-Zentralbild

Die großen Schlachtbetriebe in Deutschland haben wegen eines seit Januar geltenden Gesetzes für bessere Arbeitsbedingungen die Zahl der Festanstellungen deutlich erhöht. Bundesweit sind bei den nordrhein-westfälischen Unternehmen Tönnies (Rheda-Wiedenbrück) und Westfleisch (Münster) sowie bei Vion Deutschland im bayerischen Buchloe insgesamt rund 12.300 Werkarbeiter als Angestellte von Subunternehmen in die Stammbelegschaften gewechselt, wie Firmensprecher der Nachrichtenagentur dpa mitteilten.

Tönnies, Westfleisch und Vion hatten entsprechende Programme im Zuge der Corona-Pandemie bereits im Sommer angekündigt. Nach zahlreichen Infektionen in der Belegschaft war die Fleischbranche im Frühjahr unter Druck geraten . Besonders die hohe Zahl der Werkarbeiter aus Osteuropa, die teilweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht waren, hatte Kritik ausgelöst. Die Schlachthöfe wurden zum Teil für Wochen geschlossen, um die Infektionsketten zu unterbrechen.

Die Bundesregierung untersagte daraufhin zum 1. Januar 2021 den Einsatz von Werkarbeitern im Kerngeschäft der Schlachthöfe – im Bereich der Schlachtung und Zerlegung. Ab dem 1. April gilt auch mit Einschränkungen ein Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern. Ausgenommen sind Handwerksbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigen.

Für die Kontrolle des Verbots ist laut NRW-Arbeitsministerium der Zoll als Bundesbehörde zuständig. Die Arbeitsschutzverwaltung werde im Rahmen der Zusammenarbeit ihr zur Kenntnis gelangte Verstöße an die Behörden der Zollverwaltung weitergeben, teilte ein Sprecher mit. In folgendem Umfang haben die Unternehmen eigenen Angaben zufolge jedoch bereits auf das Werkevetragsverbot reagiert:

  • Marktführer Tönnies kommt nach eigener Aussage mit zusätzlich 6000 nun auf 12.500 fest angestellte Mitarbeiter in Deutschland. Am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück sind 3500 ehemalige Werkarbeiter jetzt in der Stammbelegschaft, das Unternehmen erzielte 2019 einen Umsatz mit Fleischprodukten von 7,3 Milliarden Euro.

  • Westfleisch mit Sitz in Münster – Umsatz 2019 knapp 2,8 Milliarden Euro – hatte bereits im Juni angekündigt, alle Mitarbeiter direkt einzustellen. Nach der Integration von etwa 3000 Werkarbeitern zum 1. Januar 2021 liegt die Gesamtzahl der Mitarbeiter bei rund 7000.

  • Die Vion-Gruppe, die ihren Hauptsitz in den Niederlanden hat, hat an 16 Standorten in Deutschland zum Jahreswechsel zu der bisherigen Belegschaft von 3000 rund 3300 Mitarbeiter von Subunternehmern fest eingestellt. Weltweit setzte Vion 2019 mit dem Schlachten von Schweinen und Rindern 5,1 Milliarden Euro um.

Noch kein Flächentarifvertrag

»Bei dem seit dem 1. Januar gültigen Gesetz haben wir nicht den Eindruck, dass es sich um Kosmetik handelt«, sagte Johannes Specht von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). »Wenn die Branche das jetzt nicht verstanden hat, dass sich etwas ändern muss, dann ist denen nicht zu helfen. Und ändern heißt dann: faire Arbeit, mit Einhaltung der Gesetze und mit Tarifverträgen«, sagt Specht.

»Zum Thema flächendeckender Tarifvertrag, für den sich Herr Tönnies ja ausgesprochen hat: Wir sind offen für Verhandlungen«, sagte der Leiter der NGG-Tarifabteilung. Bislang habe die Gewerkschaft allerdings weder von Tönnies noch von den Fleischverbänden dazu eine Antwort bekommen.

Tönnies verweist auf die Zuständigkeit des Verbandes. »Schon im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hat der Verband der Ernährungswirtschaft die NGG zu Gesprächen über Tarifverträge aufgefordert. Erst mit Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist die NGG dann im Dezember auf den Verband zugegangen«, teilt ein Unternehmenssprecher mit. Die ersten Sondierungsgespräche zwischen dem sozialpolitischen Ausschuss der deutschen Fleischindustrie, in dem auch Tönnies und dessen Mitbewerber vertreten sind, und der NGG sollen laut Tönnies bald aufgenommen werden.

apr/dpa
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