Streit über Quarantäne-Verdienstausfall »Das wird jetzt zu einer Impfpflicht durch die Hintertür«

Testzentrum für Reiserückkehrer: Quarantäne auf eigene Kosten eine Frage der Fairness?
Foto: Moritz Frankenberg / picture alliance / dpaDie von den Gesundheitsministern der Länder beschlossenen neuen Quarantäneregeln für ungeimpfte Arbeitnehmer stoßen aufseiten von Arbeitnehmervertretern auf heftige Kritik. »Es kann nicht sein, dass die Politik die Verantwortung für den Kampf gegen die Pandemie einfach bei den Beschäftigten ablädt«, sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DBG), Reiner Hoffmann, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Ein Ende des Entgeltersatzes für Ungeimpfte würde auch bedeuten, dass Beschäftigte ihrem Arbeitgeber ihren Impfstatus offenlegen müssten. Hoffmann betonte, es sei eine der wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterbewegung, dass Arbeitgeber so wenig wie absolut nötig über Gesundheitsentscheidungen der Beschäftigten erfahren.
Die Gesundheitsminister der Länder hatten am Mittwoch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein gemeinsames Vorgehen beim Ende der Entschädigungszahlung für Ungeimpfte vereinbart. Spätestens ab dem 1. November sollen ungeimpfte Arbeitnehmer keinen Verdienstausgleich im Quarantänefall mehr bekommen. Die Regel soll für alle gelten, für die es eine Impfempfehlung gibt und die sich auch impfen lassen können. Spahn hatte am Mittwoch gesagt, die neue Regelung sei eine Frage der Fairness. Geimpfte Beschäftigte dürften sich zu recht fragen, warum sie für einen Ungeimpften mitzahlen müssten, wenn dieser wegen einer Auslandsreise in Quarantäne müsse.
Droht Quarantäne mit Impfzwang unterlaufen zu werden?
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, kritisierte den Schritt ebenfalls. »Wir haben riesige Bedenken. Das wird jetzt auf irgendeine Weise zu einer Impfpflicht durch die Hintertür in Deutschland«, sagte Bentele dem Fernsehsender Phoenix. Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von Ver.di in Bayern, sprach in der ARD-»Tagesschau« ebenfalls von einem drohenden Impfzwang durch die Hintertür, auch der Datenschutz werde ausgehöhlt.
Dagegen lobte der Deutsche Städte- und Gemeindebund den Beschluss. »Es ist eine individuelle Entscheidung, sich trotz des bestehenden Angebotes nicht impfen zu lassen«, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Das bedeutet aber auch, dass die Konsequenzen dieser Entscheidung selbst zu tragen sind.« Es gebe keinen Grund, weshalb die Allgemeinheit in diesen Fällen die Entschädigung finanzieren sollte.
Auch der Deutsche Städtetag lobte die Neuregelung. »Ich halte es für richtig, die Fortzahlung von Verdienstausfällen bei Quarantäne für Ungeimpfte auslaufen zu lassen«, sagte Präsident Burkhard Jung dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es gebe inzwischen ein Impfangebot für alle. Und nach dem Infektionsschutzgesetz werde bei Quarantäne nur entschädigt, wer sich nicht impfen lassen könne oder wenn keine Impfung verfügbar sei, sagte der SPD-Politiker, der auch Leipziger Oberbürgermeister ist. Lohnfortzahlung sollte der Staat nur übernehmen, wenn es dafür einen guten Grund gebe, wenn sich also jemand zum Beispiel aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könne.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Weltärztebundes, Montgomery. Wer sich nicht impfen lasse, der müsse auch die Konsequenzen seines Handelns tragen, sagte Montgomery der »Augsburger Allgemeinen«. Dass Arbeitnehmer deshalb die Quarantänepflicht umgingen, hält Montgomery dabei für unwahrscheinlich: »Quarantäne ist eine im Infektionsschutzgesetz verankerte Pflichtmaßnahme. Ihr kann man sich nicht entziehen, ohne sich strafbar zu machen.«
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach befürchtet dagegen, dass besonders Geringverdiener unter den Ungeimpften sich einer Quarantäne verweigern könnten. Damit würde sich die Änderung negativ auf die Pandemiebekämpfung auswirken.
Vor der nun bundeseinheitlichen Regelung hatten zahlreiche Bundesländer bereits angekündigt, die Quarantäne-Entschädigungen für Ungeimpfte auf eigene Faust einzustellen.