Corona und Brexit
Britische Autoindustrie erlebt schlechtestes Jahr seit 1984
Die Autobranche schrumpft auf ein Mini-mum: In Großbritannien sind 2020 fast 30 Prozent weniger Autos produziert worden als 2019. Verbandschef Hawes kritisiert Premier Johnson wegen der Brexit-Folgen.
Mini-Produktion in Oxford (Archivbild): »Wir sehen Reibung an der Grenze«
Foto: Geoff CADDICK / AFP
Die britische Automobilindustrie leidet massiv unter den Coronavirus-Einschränkungen und dem Brexit. Die Produktion fiel im Vergleich zum Vorjahr um 29,3 Prozent, wie der Branchenverband SMMT (Society of Motor Manufacturers and Traders) mitteilte. Rund 920.000 Fahrzeuge rollten demnach 2020 im vereinigten Königreich vom Band – das ist der niedrigste Wert seit 1984.
Der starke Rückgang gehe zum großen Teil auf die global gesunkene Nachfrage durch die Coronavirus-Pandemie zurück, sagte SMMT-Chef Mike Hawes bei einer Online-Pressekonferenz. Die britische Automobilbranche ist stark vom Export abhängig. Mehr als 80 Prozent der in dem Land gefertigten Autos gehen ins Ausland, über die Hälfte davon in die EU.
Die Ausfuhren in EU-Mitgliedstaaten brachen um mehr als 30 Prozent ein. Ähnlich steil bergab ging es bei den Exporten in die USA. In die von der Pandemie weniger stark betroffenen Länder China, Südkorea und Taiwan wurde hingegen mehr exportiert als im Jahr davor.
Hersteller weichen wegen Zollproblemen auf Luftfracht aus
Viele Fabriken standen im vergangenen Frühjahr mehrere Wochen lang still. Mehrere Hersteller verlängerten zudem ihre Werksferien um den Jahreswechsel, um Schwierigkeiten durch die Veränderungen im Handel mit der EU nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase abzufedern.
Doch auch der zum Jahresende nun endgültig vollzogene Brexit spielt eine beträchtliche Rolle für das Geschäft der britischen Autobauer. Hawes widersprach zudem dem britischen Premier Boris Johnson, der die Probleme an den Grenzen durch Zollformalitäten und Kontrollen zur Lebensmittelsicherheit als Kinderkrankheiten abgetan hatte. »Wir sehen Reibung an der Grenze. Das bringt die Produktion nicht zum Stillstand, aber es übt eine Menge Druck aus«, so Hawes.
Einige Hersteller seien auf Zulieferung per Luftfracht angewiesen, um die Fließbänder am Laufen zu halten. Der zusätzliche Aufwand gehe über Kinderkrankheiten hinaus. »Das ist die neue Realität, die Branche muss sich daran anpassen.«
Positiv am zwischen Brüssel und London geschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen sei indes, dass eine Übergangsphase für die Herkunftsregeln bei Elektrofahrzeugen und Akkus vereinbart wurde. Das erlaube eine schrittweise Erhöhung der Kapazitäten.
Insgesamt wolle sich die Branche in Richtung zu Hybrid- und reinem Elektroantrieb wandeln. Nun sei die Hoffnung, dass durch das Ende der Brexit-Unsicherheit wieder vermehrt in Großbritannien investiert werde. Dazu passe die Ankündigung von Nissan, die Produktion von Akkus in seinem Werk im nordenglischen Sunderland zu erhöhen.