Unterstützung für Curevac Wie Bayer beim Impfstoff helfen soll

Impfstoffforschung bei Curevac: Hilfe vom großen Nachbarn
Foto: Andreas Gebert / REUTERSIm Rennen um einen weiteren Corona-Impfstoff bekommt die Tübinger Biotechfirma Curevac Hilfe vom Pharmagiganten Bayer. Am Donnerstag gaben beide Unternehmen bekannt, bei der weiteren Entwicklung und Bereitstellung einer Vakzine zusammenarbeiten zu wollen. Ein Bayer-Sprecher nennt die Kooperation eine »Servicevereinbarung«.
Noch sind Impfstoffe gegen Covid-19 weltweit knapp – und besonders in Europa. Von den bisher einzig zugelassenen Mitteln der Firmen Biontech (in Zusammenarbeit mit Pfizer) und Moderna hat die EU vergleichsweise wenige Dosen rechtzeitig bestellt. Umso größer ist der Druck, nun schnell weitere Impfstoffe marktreif zu machen – und auch die Produktionskapazitäten auszuweiten. Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema bei einem sogenannten Impfgipfel adressiert – und damit zur Chefsache gemacht.
Auf den Impfstoff von Curevac, der wie die Produkte von Biontech und Moderna auf der neuen mRNA-Technik basiert, hatte die Bundesregierung von Anfang an große Hoffnungen gesetzt. Im Juni 2020 übernahm der Bund für 300 Millionen Euro knapp 23 Prozent der Unternehmensanteile. EU-weit wurden insgesamt bis zu 405 Millionen Dosen des Curevac-Mittels bestellt. Wie schnell der Impfstoff mit dem Namen CVnCoV zur Verfügung steht, ist aber offen. Seit Mitte Dezember befindet er sich in der entscheidenden klinischen Prüfung, die wohl noch bis weit ins Frühjahr andauern wird. Mit einer Zulassung wird im Frühsommer gerechnet – wenn alles gut geht.
»Wir helfen nur«
Bayer soll nun zum Beispiel bei der Abwicklung dieser aufwendigen Studien helfen. So müssen etwa alle Rückmeldungen von Studienzentren medizinisch bewertet werden. Dafür verfügt Bayer über eine große Sicherheitsabteilung, die vom ehemaligen Schering-Standort in Berlin koordiniert wird. Auch erfordert eine Zulassungsstudie viel Logistik, bei der der Leverkusener Konzern Curevac helfen will. In allen Ländern der Europäischen Union sowie in Norwegen, Island, Liechtenstein, England und der Schweiz wolle man unterstützen, heißt es bei Bayer. »Wir helfen nur. Es ist und bleibt das Produkt von Curevac«, betont ein Bayer-Sprecher. Bayer erhält allerdings Optionen, um Inhaber der Marktzulassung in anderen Märkten außerhalb Europas zu werden – welche Länder das sein könnten, wollte der Konzern nicht kommentieren.
Offenbar hat auch die Politik die Vereinbarung der beiden Unternehmen zumindest wohlwollend begleitet. Ein Regierungsvertreter bestätigte dem SPIEGEL, dass Bundeskanzlerin Merkel am Mittwoch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) über eine Kooperation von Bayer und Curevac gesprochen haben. »Es geht dabei um die Unterstützung der aufwendigen dritten Testphase durch Bayer und deren Logistik«, sagte ein Regierungsmitglied dem SPIEGEL. Nach SPIEGEL-Informationen signalisierte die Bundesregierung den beiden Firmen, wenn nötig auch Gelder für den Zulassungsprozess bereitzustellen.
Ebenfalls wurde in der Runde offenbar besprochen, noch einmal nach möglichen Produktionsstandorten in Deutschland zu suchen, ähnlich wie das bei der Produktionsstätte in Marburg geschehen ist, die in den kommenden Wochen für den zweiten deutschen Impfstoffentwickler Biontech die Produktion aufnehmen soll.
Möglicherweise könnte Bayer bei der Produktion eines Impfstoffs tatsächlich helfen. Ein Werk in den USA kommt dafür infrage, aber auch in Deutschland gibt es nach SPIEGEL-Informationen einen potenziellen Standort: in Wuppertal. Dieser wurde zwar von Bayer gebaut, jedoch nie in Betrieb genommen, sondern verkauft. Die Transaktion ist frisch und wurde erst am 21. Dezember 2020 bekannt gegeben. Käufer ist eine deutsche Tochter des chinesischen Biotechnologie-Unternehmens Wuxi Biologics. Bayer hat zwar keinen Einfluss mehr, was der neue Eigentümer mit dem 30.000-Quadratmeter großen Werk macht. Man wolle aber Wuxi auf jeden Fall beim Anfahren der Anlage helfen. Wuxi hat schon angekündigt, den Wuppertaler Neuerwerb auch für Covid-19-Impfstoffe nutzen zu wollen. Welche das genau sind und ob auch die Produkte von Curevac oder Biontech darunterfallen, ist unklar. Wuxi war zunächst nicht zu erreichen.
Das Werk könnte massive Entlastung bringen und helfen, die Produktion schnell hochzufahren und Impfstoffe eher auszuliefern. Die Herstellung von mRNA-Impfstoffen ist allerdings alles andere als trivial. Einfach mal eben Produktionsstraßen umzubauen, ist nur schwer möglich. Bei neuen Produkten wie etwa dem potenziellen Impfstoff aus Tübingen wird für die Herstellung auch ein Technologietransfer vom Patentinhaber Curevac an einen potenziellen Fertiger benötigt. Viele Pharmakonzerne bezeichneten es auf Anfrage des SPIEGEL als schwer bis unmöglich, schnell Produktionskapazitäten für Covid-19-Impfstoffe bereitzustellen. Häufig wurde die komplizierte Technologie als Grund genannt sowie die lange Dauer, ein solches Werk aufzubauen. Somit wäre das Werk in Wuppertal ein Glücksfall in der Pandemie.
Bayer stellt derzeit selbst keine Impfstoffe her. Zwar arbeitet der Konzern an einer Plattform für Zell- und Gentherapien und kaufte zuletzt mit Asklepios Biopharmaceutical und Bluerock Therapeutics zwei Unternehmen aus dem Bereich. Im Fokus standen bisher jedoch weniger Infektionskrankheiten als etwa Therapien gegen Morbus Parkinson oder Herzleiden.
Die mRNA-Technik, die Unternehmen wie Biontech und Curevac nun einsetzen, ist vergleichsweise neu. Bisher kam sie nur in der Tiermedizin zur Anwendung. Curevac gilt als ein Pionier dieser Technologie. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen gegründet, erste wegweisende Studien und wichtige Grundlagenarbeit entstanden in Tübingen. Die Basis schuf Curevac-Gründer Ingmar Hoerr. Der Biologe veröffentlichte 1999 seine Doktorarbeit, sie trug den sperrigen Titel »RNA-Vakzine zur Induktion von spezifischen Antikörpern«. Ribonukleinsäure (RNA), so die Erkenntnis, kann als Therapeutikum oder Impfstoff zielgenau eingesetzt werden. Finanziert wurde das Unternehmen jahrelang nur aus der Privatschatulle des Milliardärs Dietmar Hopp, dem Gründer von SAP. Auch Bill Gates investierte.
Sosehr die Vereinbarung mit Bayer die Zulassung und Herstellung von CVnCoV beschleunigen könnte: Noch befindet sich der Impfstoff in der relevantesten Phase der Zulassung, in der noch manches schiefgehen kann. Die letzte Phase gilt in der Pharmabranche als größte Hürde und als Stunde der Wahrheit. Im schlimmsten Fall kann an deren Ende ein Scheitern ohne Zulassung stehen.