Trotz Shutdown Wirtschaftsweise heben Konjunkturprognose für 2020 an

Monteurin in einem Werk von ZF Friedrichshafen: Das produzierende Gewerbe stützt die Konjunktur
Foto:Felix Kästle / DPA
Der Sachverständigenrat der Bundesregierung um den Freiburger Ökonomen Lars Feld geht von einem glimpflicheren Verlauf der Corona-Pandemie für die deutsche Volkswirtschaft aus als bisher. Ungeachtet des November-Shutdowns wird der Konjunktureinbruch laut den Wirtschaftsweisen genannten Experten weniger scharf ausfallen als in der Finanzkrise. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 5,1 Prozent einbrechen, sagte eine mit den Prognosen des Sachverständigenrates vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Ökonomen sind damit zuversichtlicher als die Bundesregierung. Die geht bislang von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um fünfeinhalb Prozent aus.
Noch im Sommer hatte Feld seine Prognosen zur Entwicklung der Wirtschaftsleistung in Deutschland immer weiter nach unten korrigiert. Damals war von einem Rückgang zwischen sechs und sieben Prozent die Rede. Inzwischen ist er deutlich optimistischer. Die aktuellen Hoffnungen auf einen schon bald verfügbaren Impfstoff des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech könnten die Lage weiter verbessern.
"In der Krise rasch und entschlossen gehandelt"
Der "Süddeutschen Zeitung ", die zuerst über die neue Einschätzung des Expertengremiums berichtet hatte, zufolge gehen die Wirtschaftsweisen nur von vergleichsweise geringen ökonomischen Folgen durch die Schließungen von Gastgewerbe, Kultur und Sport aus. "Die Politik hat in der Krise rasch und entschlossen gehandelt", zitiert die Zeitung aus dem 500 Seiten starken Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen.
Selbst wenn die Schließungen im Dezember anhalten sollten und auch Teile des Einzelhandels wie Autohäuser schließen müssten, ist demnach nur mit einem niedrigen zusätzlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung zu rechnen – solange die Industrie weiterarbeiten kann. Allerdings spielt für die exportorientierte deutsche Wirtschaft auch die ökonomische Entwicklung im Ausland eine große Rolle. Die wichtige deutsche Autoindustrie hatte sich zuletzt etwa dank der raschen wirtschaftlichen Erholung in China so gut vom Corona-Einbruch berappeln können.
Deutschlands oberste Autolobbyistin warnt ihre Branche jedoch vor einem vorschnellen Abhaken der Coronakrise. Angesichts wieder steigender Fallzahlen gibt es Hildegard Müller zufolge keinen Grund zum Feiern. "Da haben wir leider keinen Anlass, unsere Prognosen hochzusetzen", sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). "Im Gegenteil, wenn die Corona-Entwicklung jetzt so weitergeht, merken wir eher, dass die Menschen doch wieder stark verunsichert sind. Und nicht nur wir merken das im Käuferverhalten, sondern andere Branchen ja auch." Momentan, so Müller, sei "die Stimmung besser als die Lage".
Nur noch 3,7 Prozent Wachstum für 2021 erwartet
Auch die Wirtschaftsweisen befürchten einen langen Schatten der Krise. Sie gehen zwar nicht mehr von einem so tiefen Einbruch wie im Sommer aus – erwarten für 2021 aber auch nur noch ein Wachstum von 3,7 Prozent. Im Juni waren sie noch von 4,9 Prozent für kommendes Jahr ausgegangen. Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates soll am Mittwoch offiziell veröffentlicht und der Bundesregierung übergeben werden.