Notübernahme der Credit Suisse Finanzmärkte stabilisieren sich – vorerst

Nach einem turbulenten Tag haben Europas Börsen wieder Aufwind. Die Sorgen über die Notrettung der Credit Suisse scheinen sich zu zerstreuen – auch wenn weiter Milliardenrisiken bestehen.
Händler an der New Yorker Börse: Europas Bankenaktien machen Verluste weitgehend wieder wett

Händler an der New Yorker Börse: Europas Bankenaktien machen Verluste weitgehend wieder wett

Foto: JOHANNES EISELE/ AFP

Nach der Notübernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS hat sich die Lage an den Finanzmärkten etwas entspannt. Der schwach gestartete Dax stabilisierte sich und näherte sich bis zum Nachmittag mit Gewinnen von rund 1,2 Prozent wieder der Marke von 15.000 Punkten. Der MDax der mittelgroßen Unternehmenswerte machte im Tagesverlauf seine Verluste wett und gewann leicht an Wert. Der Leitindex der Eurozone, EuroStoxx 50, stieg um 1,22 Prozent auf 4114 Punkte.

Die von der Politik und den Währungshütern beabsichtigte Beruhigung der Finanzmärkte durch die Notfallrettung der angeschlagenen Credit Suisse zeigte mit etwas Verzögerung Wirkung. Rückenwind kam auch von der ebenfalls erstarkten Wall Street.

Mit milliardenschwerer Unterstützung der Schweiz und der dortigen Notenbank SNB wurde am Wochenende die Übernahme der Schweizer Großbank durch die heimische Konkurrentin UBS beschlossen. Zudem erhöhten sechs große Notenbanken, darunter die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit Dollar-Liquidität.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte, die Banken der Eurozone seien den jüngsten Turbulenzen gewachsen. »Der Bankensektor des Eurogebiets ist widerstandsfähig und verfügt über eine starke Kapital- und Liquiditätsposition«, sagte Lagarde vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. »Das geldpolitische Instrumentarium der EZB ist ausgestattet, um Liquiditätshilfe für das Finanzsystem des Euroraums bereitzustellen.«

Selbst Aktien von Europas Banken konnten im Handelsverlauf den größten Teil ihrer Tagesverluste wieder wettmachen – auch wenn Sorgen über ein mögliches Engagement der Institute in bestimmten milliardenschweren Anleihen der Credit Suisse bestehen bleiben.

Banken, Versicherer und andere Anleger haben insgesamt 16 Milliarden Franken in nachrangige Anleihen der Credit Suisse (sogenannte AT1-Papiere) gesteckt. Auf Geheiß der Schweizer Finanzaufsicht Finma soll dieses Geld dem Eigenkapital der Credit Suisse zugeschlagen werden, die Inhaber dieser Papiere verlieren ihr eingesetztes Geld.

Zunächst war unklar, welchen Großanlegern dadurch höhere Ausfälle drohen. Aktien der Deutschen Bank legten zuletzt leicht zu. Ein Sprecher sagte, das größte deutsche Geldinstitut sei in diesen eigenkapitalähnlichen AT1-Bonds »nahezu null« engagiert. Die Commerzbank ist es eigenen Angaben zufolge gar nicht.

Am Sonntagabend war bekannt gegeben worden, dass die UBS den kleineren Rivalen Credit Suisse für drei Milliarden Franken übernimmt. Zusätzlich steht sie für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. Hinzu kommen eine staatliche Verlustgarantie von 9 Milliarden Franken sowie Liquiditätszusagen im Umfang von bis zu 200 Milliarden Franken.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Transaktion mit Liquiditätshilfen und gewährt den Banken ein Darlehen von bis zu 100 Milliarden Franken. Zusätzlich könne die SNB der Credit Suisse ein mit einer Ausfallgarantie des Bundes gesichertes Liquiditätshilfe-Darlehen von bis zu 100 Milliarden Franken gewähren.

Eine Übernahme der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse durch die größere UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Sie bedeutet das Ende für die 167 Jahre alte Credit Suisse, deren Hauptsitz gegenüber der Rivalin UBS am Zürcher Paradeplatz liegt.

Die Schweizer Regierung in Bern stand unter erheblichem Druck, die Lage zu stabilisieren und die Credit Suisse zu stützen. Denn Credit Suisse ist einer der weltweit größten Vermögensverwalter und gehört zu den 30 global systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern würde.

Der Schweizer Bundespräsident Alain Berset sagte, »der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme die beste Lösung ist, um das Vertrauen wiederherzustellen«. Die Transaktion sei wichtig für die Stabilität des schweizerischen Finanzplatzes, hieß es. Finanzministerin Karin Keller-Suter sagte, der Bund habe die Garantie von neun Milliarden Franken gegeben, um Risiken der Credit Suisse abzufangen. »Die Steuerzahler haben nur geringes Risiko.« Jedes andere Szenario hätte mehr Kosten verursacht.

Die Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der größte Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte. Mit der Notübernahme zu einem neuen Branchenriesen soll laut UBS ein Finanzinstitut mit einem verwalteten Vermögen von mehr als fünf Billionen Dollar entstehen.

ssu/dpa-AFX
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