Finanzexperte gegen Bankenverband "Können Sie Maulwürfe in Ministerien ausschließen?"

Bankenviertel in Frankfurt: "Sie schulden der Öffentlichkeit Antworten"
Foto: Arne Dedert / DPADer frühere Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick fordert in einem offenen Brief an den Bankenverband die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals und Konsequenzen. "Sie schulden der Öffentlichkeit Antworten", schreibt Schick. Denn ohne die Beteiligung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) hätte der Cum-Ex-Skandal wohl nie die nun erfassten Dimensionen erreicht, so der Finanzexperte.
Am Vormittag war eine von der Staatsanwaltschaft Köln initiierte Razzia beim Bankenverband im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal bekannt geworden. Der BdB und die Ermittler teilten zwar mit, das Verfahren richte sich nicht gegen Verantwortliche des Verbands selbst; einem Bericht von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" zufolge suchen die Ermittler durchaus auch nach Hinweisen, ob Beschuldigte versucht haben, über den Verband Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Ziel soll es demnach gewesen sein, neue Schlupflöcher zu finden, um die illegalen Geschäfte fortzuführen.
In dem offenen Brief konfrontiert Finanzexperte Schick den Verband nun erneut mit Vorwürfen der Einflussnahme auf die Gesetzgebung. So habe der Verband im Jahr 2002 Kontakt mit dem Bundesfinanzministerium aufgenommen, mit dem Ziel, Mitgliedsinstitute vor einer Haftung für Cum-Ex-Geschäfte zu bewahren, nachdem bereits in den Neunzigerjahren das Wissen über die kriminellen Geschäfte nicht an den Staat gemeldet worden sei.
"Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung"
Ein konkreter Formulierungsvorschlag aus dem Jahr 2003 sei dann auch "fast Wort für Wort im Jahressteuergesetz 2007 übernommen" worden, so Schick. Das mag zwar eine legitime Vertretung eigener Interessen gewesen sein - habe die Geschäfte aber erst so richtig angefacht, durch die Bürgerinnen und Bürgern ein Milliardenschaden entstand. "Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit für die Folgen Ihrer Lobbyarbeit", schreibt Schick.
Schick ist seit 2018 Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, eine Art Gegenlobby der Finanzbranche und Verbraucherschutzorganisation. Zuvor war er an Bundestagsabgeordneter der Grünen, von 2007 bis 2017 deren finanzpolitischer Sprecher, als der er auch den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss maßgeblich initiierte.
Der Steuerschaden aus Cum-Ex-Geschäften, in die zahlreiche Banken verwickelt waren, geht in die Milliarden. Allein die in Nordrhein-Westfalen federführende Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen Hunderte, im Juni waren dort in 68 Verfahren rund 880 Beschuldigte erfasst.
Bei Cum-Ex-Geschäften nutzten Investoren eine vermeintliche Lücke im Gesetz, um den Staat um Geld zu prellen. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Neue Spielarten von Cum-Geschäften mit dem Ziel der unberechtigten Dividendensteuererstattung sind jedoch weiterhin möglich, wie gerade auch der Bundesrechnungshof kritisiert hat.
Vier Fragen an den Verband
Ein Versuch, dem Ganzen mit dem Jahressteuergesetz 2007 einen Riegel vorzuschieben, schlug fehl. Auch hier wurde früh vor Gesetzeslücken gewarnt. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss, bei dem Gerhard Schick die treibende Kraft war, hatte zu klären versucht, welchen Einfluss der Bankenverband bei der Erarbeitung solcher Gesetze gespielt hatte.
In dem aktuellen Brief an den Bankenverband thematisiert Schick nun auch die Rolle des ehemaligen Finanzrichters und späteren Referenten im Bundesfinanzministerium, Arnold Ramackers, der auch im Auftrag des Bankenverbands handelte. Der sogenannte Maulwurf habe nachgewiesenermaßen Einwände gegen den Gesetzesvorschlag ausgebremst und dafür gesorgt, dass Hinweise auf rapide zunehmende Cum-Ex-Geschäfte ignoriert worden seien. Bisher gebe es keine Stellungnahme des Verbands dazu, wirft Schick dem BdB vor und fragt: "Bedeutet das, dass Sie die damals gewählten Formen der Beeinflussung der staatlichen Entscheidungsfindung und das Wirken Ihres Vertragspartners Ramackers als legitim erachten?"
Zudem fehle es bis jetzt an einer Aufarbeitung des Verbands für die Öffentlichkeit, wie derartige Geschäfte in so vielen Mitgliedsinstituten jahrelang vorkommen konnten, schreibt Schick. Er frage den Verband, wie die Rolle des BdB im Cum-Ex-Skandal intern aufgearbeitet wurde, welche Konsequenzen daraus gezogen wurden und ob der BdB zusichern könne, künftig die zuständigen Stellen über potenziell kriminelle Geschäfte zu informieren.
Und: "Können Sie jetzt und in Zukunft ausschließen, dass Sie 'Maulwürfe' in Ministerien einsetzen?"