
Mercedes-Flops: Kipper, Rostbeulen, Ladenhüter
Mercedes-S-Klasse-Präsentation Warten auf den Rettungswagen
Berlin - Es ist nur ein kleines Gimmick aus der langen Liste von Extras, die für die neue S-Klasse von Mercedes zu haben sind. Doch es könnte sich nachhaltig auf das Image der Luxuslimousine auswirken. Im Handschuhfach haben die Ingenieure einen kleinen Zerstäuber untergebracht, der den Innenraum auf Knopfdruck in eine Duftwolke hüllt. So etwas gab es schon mal, bei Citroën etwa - oder in Form des legendären Duftbaums, der an so vielen deutschen Rückspiegeln hängt.
Das sogenannte Air-Balance-Paket lässt sich als Angebot an diejenigen interpretieren, die so etwas gut finden. Oder als Anbiederung an eine Kundschaft, die wenig Stil besitzt und dafür umso mehr Geld. Oder schlicht als Ratlosigkeit, wie um alles in der Welt man den Abstand zur Konkurrenz dokumentieren kann. Damit auch jeder glaubt, dass es kein Auto auf der Welt gibt, das an die S-Klasse heranreicht.
Lange Reihe von Fehlschlägen
Die Nervosität der Mercedes-Leute ist verständlich: Wohl kaum ein Stapellauf war in der jüngsten Vergangenheit von größeren Erwartungen begleitet als der des neuen Luxusliners von Mercedes. Die S-Klasse soll Daimler endlich wieder jenen Glanz verleihen, in dem der Konzern sich Jahrzehnte gesonnt hat. "Das Beste oder nichts", der Werbeslogan, den Dieter Zetsche bei jeder sich bietenden Gelegenheit deklamiert, wird damit auch zum Menetekel: Wenn die S-Klasse floppt, dürfte das auch das Ende von Zetsches Karriere bedeuten. Denn nach einer ganzen Reihe von Fehlschlägen in der Vergangenheit kann sich der Konzernchef keinen weiteren leisten.
Nach Abrechnung des jüngsten Quartals musste Zetsche die Ergebnisprognose bereits zum zweiten Mal binnen weniger Monate kassieren. Dass die enttäuschenden Verkaufszahlen keine Gottesfügung sind, beweisen die Wettbewerber BMW und Audi, die den Abstand zur einstigen Nummer eins Mercedes Monat für Monat vergrößern. Sie liegen nicht nur gemessen an den Stückzahlen vorne, sondern erwirtschaften auch mehr Gewinn pro Auto. 2012 lag die operative Rendite bei Mercedes bei 7,1 Prozent, BMW schaffte dagegen 10,9, Audi sogar 11 Prozent.
Besonders krass wirken Versäumnisse auf dem chinesischen Markt nach. Dort machen die Stuttgarter eigentlich nur mit der S-Klasse Punkte, während die kleineren Baureihen unter "ferner liefen" rangieren. Andere Probleme lassen sich Zetsche noch direkter zuordnen: So musste die E-Klasse, das erste Auto, das maßgeblich unter seiner Ägide entstand, bereits nach kurzer Laufzeit so umfassend renoviert werden, wie kein zweites Modell zuvor. Rund eine Milliarde soll die Aufhübschung des wichtigsten Umsatz- und Gewinnbringers im Konzern verschlungen haben. Oder der Lieferwagen Citan, ein Ableger des Renault Kangoo. Nach einem verheerenden Crashtest des ADAC musste Mercedes rund 3500 in Europa verkaufte Fahrzeuge in die Werkstätten rufen, um nachzubessern.
Zweifel an Zetsche
Um das Ruder herumzureißen, müsste es gelingen, das gesamte Unternehmen auf das gemeinsame Ziel einzuschwören, doch ob Zetsche dazu noch die Kraft hat, das bezweifeln inzwischen viele Beobachter. Denn in der Hektik des andauernden Krisenmanagements hat der einst für einen kooperativen Führungsstil gelobte Manager den Kontakt zur Basis verloren. Dem Widerstand der Arbeitnehmer ist es auch zu verdanken, dass sein Vertrag nur um drei statt wie üblich um fünf Jahre verlängert wurde. "Er kann es nicht", heißt es aus den Reihen des Managements.
Dass ein gelungener Einstand der S-Klasse die Fehlentwicklungen der letzten Jahre vollends vergessen machen könnte, glauben jedoch nicht einmal die Stuttgarter selbst. Aber er könnte immerhin einen wichtigen Beitrag leisten, dass der Stern wieder strahlt und die Belegschaft wieder aufgerichtet wird.
Mehr Prestige hat keiner
Denn als Identifikationsobjekt taugt die Luxuslimousine allemal. Sie beherrscht seit Jahrzehnten weltweit ihr Segment und gilt als Maßstab für die automobile Oberklasse schlechthin. Andere mochten elegantere Autos bauen, Jaguar etwa -doch in Sachen Prestige konnten die der S-Klasse nie das Wasser reichen. Selbst BMW mit dem Siebener nicht oder Audi mit dem A8. Auch 2012 markierte die S-Klasse mit 65.000 Einheiten den Spitzenplatz vor dem BMW Siebener mit rund 59.000 Stück und dem Audi A8 mit 38.000 weltweit verkauften Wagen.
Stolz können die Mercedes-Leute auch auf die enormen Gewinne sein, die das Flaggschiff einfährt. Zwar entfallen nur sechs Prozent der Mercedes-Auslieferungen auf die S-Klasse, doch zum Gesamtprofit des Konzern trägt sie nach Schätzungen von Analysten mindestens 15 Prozent bei. Der Bruttogewinn jedes verkauften Wagens, davon sind Branchenexperten überzeugt, beträgt 40 bis 50 Prozent.
Doch die Alleinstellung ist auch eine Bürde für Zetsche: Denn es gilt, sie mit dem neuen Modell um jeden Preis zu verteidigen.