Klimaprotest Darum trifft sich der Siemens-Chef mit "Fridays for Future"

Luisa Neubauer
Foto: Clara Margais/ dpaWorum geht es?
Im Nordosten Australiens soll ein Bergwerk gebaut werden, das bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördert. Das Projekt des indischen Industriekonzerns Adani soll dem Land milliardenschwere Exportgewinne bescheren. Denn die Inder wollen die Kohle in ihr Heimatland liefern - um den dort steigenden Energiebedarf zu stillen.
Umweltschützer kritisieren das Vorhaben seit Jahren. Der Abbau von Kohle, die größtenteils in Kraftwerken verfeuert wird, würde die Erderwärmung zusätzlich anheizen, argumentieren sie. Das Werk würde zudem Milliarden Liter kostbares Grundwasser verschlingen sowie den Lebensraum gefährdeter Tiere und das Land der Ureinwohner zerstören. Die verheerenden Buschfeuer auf dem Kontinent haben den Widerstand gegen die Kohlemine zuletzt verstärkt.
Was hat Siemens damit zu tun?
Adani plant eine Zugstrecke Richtung Hafen, diese soll auch Siemens-Technik nutzen. Genau genommen: eine Signalanlage, die Züge vor dem Entgleisen schützt. Der Konzern würde den Kohleabbau also nur indirekt unterstützen und auch nur in einem engen Rahmen. In Deutschland ist die geplante Beteiligung dennoch symbolisch stark aufgeladen. Siemens muss massive Kritik einstecken - was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das Unternehmen immer wieder öffentlich bekundet hat, bis 2030 Klimaneutralität anzustreben.
Das Versprechen bezieht sich zwar auf den eigenen CO2-Ausstoß. Die Klimabewegung "Fridays for Future" findet es dennoch widersinnig, dass Siemens indirekt ein Projekt unterstützt, durch das bis 2080 Kohle gefördert werden kann. Zudem hoffen die Aktivisten offenbar, dass das Kohlebergwerk vielleicht noch gestoppt werden kann, wenn genug Partnerfirmen, auf deren Leistungen Adani angewiesen ist, es boykottieren.

Siemens-Chef Joe Kaeser
Foto: MICHAEL DALDER/ REUTERSWie reagiert die Öffentlichkeit?
"Fridays for Future" demonstriert am Freitag in mehreren deutschen Städten vor Siemens-Büros - unter anderem ab zwölf Uhr vor der Konzernzentrale in München. Konzernchef Joe Kaeser trifft derweil in Berlin die Sprecherin der Bewegung, Luisa Neubauer.
Die stellvertretende Grünenchefin Ricarda Lang kritisierte das Siemens-Geschäft als "absurd". Während die ganze Welt über die Brände in Australien spreche, werde dort "ein riesiger Klimakiller gebaut", sagte sie. "Ich erwarte, dass Siemens die Lieferungen einstellt und die Unterstützung für das Projekt zurückzieht."
Der australische Umweltschützer Christian Slattery vom Australian Conservation Foundation sagte, die Welt habe in Australien sehen können, wie der Klimawandel die schlimmsten Buschbrände angeheizt habe, die das Land je erlebt habe. Es sei eine Schande, dass sich Siemens für die Unterstützung einer Mine entscheide, in der CO2-intensive Kohle gefördert werde - was letztlich zur Erderhitzung beitrage.
Die Aktivisten-Gruppe Market Forces plant, Anfang Februar Opfer der australischen Brände zur Hauptversammlung von Siemens nach München zu fliegen, falls der Konzern sein Engagement nicht beendet.
Was wird Siemens jetzt tun?
Kaeser hat Mitte Dezember angekündigt, den Auftrag von Adani auf den Prüfstand zu stellen. Die Entscheidung soll am Montag fallen, teilte Vorstandschef Joe Kaeser am Freitag mit. Das Geschäft hat nur ein Volumen von rund 20 Millionen Euro, seine betriebswirtschaftliche Relevanz hält sich also in Grenzen.
Allerdings steht Siemens' Ruf auf dem Spiel, sich zuverlässig an Vertragsvereinbarungen zu halten. Sollte das Unternehmen von dem Geschäft zurücktreten, würde es ein Stück weit auch als unzuverlässiger Geschäftspartner dastehen. Zudem müsste sich Siemens künftig wohl noch stärker für sein Kohlegeschäft in Indien und China rechtfertigen.