Deutsche Anleger auf dem Rückzug Ausländische Investoren halten Mehrheit am Dax

Die Deutschen sind Aktienmuffel - und das hat Folgen für den Dax: Inzwischen kontrollieren ausländische Anleger im Schnitt 55 Prozent der Anteile der 30 größten deutschen Firmen. Woher kommen sie?
Adidas: Der Dax-Konzern ist zu 70 Prozent in ausländischer Hand.

Adidas: Der Dax-Konzern ist zu 70 Prozent in ausländischer Hand.

Foto: Daniel Karmann/DPA

Deutsche Sparer tun sich weiterhin schwer mit Aktien. Obwohl es wegen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum noch renditestarke Alternativen gibt und Tagesgeldkonten Zinsen nur noch im Promillebereich abwerfen, ist die Aktienquote in Deutschland deutlich niedriger als etwa in Großbritannien oder den USA.

Die Börse sei zu riskant, zu schwankungsreich - so wird die deutsche Aktienzurückhaltung begründet. Doch während die Deutschen sich zurückhalten, greifen ausländische Aktionäre bei Dax-Unternehmen beherzt zu - und steigern ihren Anteil weiter. Der deutsche Aktienindex Dax ist inzwischen überwiegend im Besitz ausländischer Investoren.

Das zeigt sich auch bei den Dividendenzahlungen: Von den 36,5 Milliarden Euro, die die Dax-Konzerne in diesem Jahr ausschütten, fließen gerade einmal 12,5 Milliarden Euro an deutsche Anteilseigner - ein Rückgang um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. An ausländische Investoren überweisen die Dax-Konzerne hingegen 19,8 Milliarden Euro - 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Bei den übrigen 4,2 Milliarden Euro lässt sich die Nationalität der Investoren nicht ermitteln. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Aktionärsstruktur der im Deutschen Aktienindex (Dax) gelisteten Unternehmen. Stichtag ist jeweils das Ende des vergangenen Geschäftsjahres.

Mehr als die Hälfte aller Dax-Aktien in ausländischen Depots

Der Grund für die steigenden Dividendenzahlungen an ausländische Anleger: Ausländische Investoren haben ihr Engagement im Dax im vergangenen Jahr weiter erhöht. Derzeit befindet sich mehr als jede zweite Aktie eines Dax-Unternehmens in ausländischen Depots: 55 Prozent der Aktien lassen sich ausländischen Investoren zuordnen, vor einem Jahr lag der Anteil bei 54,5 Prozent.

Investoren aus Deutschland hielten dagegen im Schnitt 33,2 Prozent der Anteile - ein Rückgang um 1,1 Prozentpunkte. Nicht zuordnen lassen sich derzeit 11,8 Prozent der Dax-Anteile.

Aktuell liegen bei den Unternehmen, die entsprechende Angaben machen, durchschnittlich 26,2 Prozent der Aktien in den Depots von Investoren aus dem europäischen Ausland - das sind 1,4 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr - und 22,3 Prozent bei nordamerikanischen Investoren, was einem Zuwachs um 0,2 Prozentpunkte entspricht.

Gewinne der Autokonzerne sinken, doch die Investoren greifen zu

"Die meisten Dax-Konzerne sind inzwischen globale Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland - nur noch etwa ein Viertel des Umsatzes wird in Deutschland erwirtschaftet. Angesichts dieser weltweiten Aufstellung und der wichtigen Rolle, die deutsche Top-Unternehmen auf bedeutenden ausländischen Märkten spielen, liegt es nahe, dass ausländische Investoren inzwischen sehr stark im Dax engagiert sind", sagt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY.

Dass das Engagement ausländischer Investoren trotz der zuletzt teils enttäuschenden Geschäftsentwicklung gestiegen ist, wertet Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung von EY, als Vertrauensbeweis in die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen: "Im vergangenen Jahr lief es nicht rund für viele Dax-Unternehmen: Der Gesamtumsatz stieg nur noch um ein Prozent, der operative Gewinn sank um sieben Prozent. Gerade die Industrie - der Maschinenbau, die Autoindustrie - befinden sich in einem tiefgreifenden Umbauprozess, der mit steigenden Investitionen, sinkenden Margen und rückläufigen Dividendenzahlungen einhergeht. Dennoch erhöhten ausländische Anleger ihr Engagement bei allen vier Automobil- beziehungsweise Zulieferunternehmen im Dax."

19 Konzerne fest in ausländischer Hand

Bei fünf Dax-Unternehmen sind gemäß den aktuellen Geschäftsberichten mehr als 70 Prozent der ausgegebenen Aktien in ausländischer Hand (Adidas, Deutsche Börse, Linde, Infineon und Bayer). Insgesamt 19 Unternehmen sind zu mindestens 50 Prozent im Besitz ausländischer Aktionäre.

Den geringsten Anteil ausländischer Aktionäre weisen Henkel   und Lufthansa   auf, mit nur 26 beziehungsweise 30 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil ausländischer Investoren bei 16 Dax-Konzernen, bei zehn Unternehmen ist er hingegen gesunken - zu den übrigen Unternehmen liegen keine entsprechenden Informationen vor.

Besonders stark zugelegt hat der Anteil ausländischer Anteilseigner bei Merck   (plus sieben Prozentpunkte) und Adidas   (plus sechs Prozentpunkte), während die Deutsche Börse den stärksten Rückgang (um sechs Prozentpunkte) verzeichnete.

Langfristig gestiegenes Engagement

Vor allem der Mehrjahresvergleich zeigt das erheblich gestiegene Engagement ausländischer Anleger im Dax-Segment: Bei den 22 Unternehmen, von denen vergleichbare Angaben für das Jahr 2005 vorliegen, stieg der Anteil ausländischer Anteilseigner von durchschnittlich 48 Prozent im Jahr 2005 auf 58 Prozent im Geschäftsjahr 2018.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren