Dax-Geflüster Die Angst der Bankmanager vor Pittsburgh

G20-Gipfel in Pittsburgh: Der Begriff "haftendes Kapital" soll enger gefasst werden
Foto: JIM BOURG/ REUTERSMan spürt die Unruhe in den Bankentürmen in Frankfurt. Sie sickert ein, mehr und mehr, je länger verhandelt wird. Je intensiver die Staatschefs der 20 bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Pittsburgh um die Regulierung ihrer Branche ringen. Denn mit jeder Stunde, mit jeder Verhandlungsrunde wird klarer, dass die Sache speziell für Deutschlands Banken schiefgehen könnte. Deshalb ist die Nervosität der Bankmanager längst zu den Aktienhändlern auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse durchgedrungen: Wenn Deutschlands Geldhäuser leiden, könnte auch der Dax leiden.
Das bedeutendste Frankfurter Aktienbarometer hat im vergangenen halben Jahr zwar einen Aufschwung sondergleichen hingelegt. Der Leitindex steht jetzt rund 55 Prozent höher als zu seinen bisherigen Tiefständen im März. Aber einen Teil der Aufwärtsbewegung verdanken die Anleger hierzulande nicht zuletzt der staatlich gestützten Gesundung der Finanzbranche.
Der Dax-Teilindex für Banken beispielsweise ist in den vergangenen fünf Monaten nochmals um etwa 30 Prozent stärker gestiegen als der Dax - ähnlich wie die Bankenindizes an den anderen großen Börsenplätzen. Entsprechend deutlich haben dann auch die Kurssteigerungen der Deutschen Bank den Dax mit in die Höhe gezogen. Doch genau diese Kurslokomotiven der vergangenen Monate drohen jetzt von den G-20-Unterhändlern gebremst zu werden.
"Deutschlands G-20-Verhandlungspartner wollen zwar offenbar die Eigenmittel der Banken für die Zukunft aufstocken - wie auch die Bundesregierung. Aber sie scheinen dazu ausgerechnet die bisher geläufige Definition des haftenden Eigenkapitals strenger fassen zu wollen, wohlwissend, dass dies vor allem die deutschen Banken treffen wird. Der Versuch, die eigenen Unternehmen zu schützen, spielt in den Finanzmarktverhandlungen in Pittsburgh eine bemerkbare Rolle", sagt Professor Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Seminars für Bankbetriebslehre der Universität Köln.
Tatsächlich haben sich die hiesigen Geldhäuser in den vergangenen Jahren mit einer Art Quasi-Eigenkapital fit für den internationalen Wettbewerb gemacht, das zwar von den Aufsichtsbehörden akzeptiert worden ist, aber nach Meinung vieler Finanzwissenschaftler streng genommen weder zum Grundkapital, noch zu den Rücklagen der Finanzinstitute zu rechnen ist - sogenannte hybride Eigenkapitalformen wie beispielsweise stille Einlagen oder nachrangige Anleihen.
"Und deren Einsatz hat in den vergangenen Jahren hierzulande ein wenig überhandgenommen, auch wenn der Trend abzuflauen scheint. In den USA aber beispielsweise wurden diese Mittel insgesamt weniger genutzt", sagt Richard Stehle, Professor für Bank- und Börsenwesen an der Humboldt-Universität in Berlin.
Genau deshalb, argwöhnen Kritiker, versuchten nicht nur Amerikas Verhandlungsführer an dieser Stellschraube auf dem G-20-Gipfel zu drehen, um einen größeren Teil der Stabilisierungslasten möglichst auf andere abzuwälzen. "Würden diese hybriden Kapitalformen in Zukunft tatsächlich nicht mehr als Eigenkapital angerechnet, hätten insbesondere deutsche Finanzinstitute ein erhebliches Problem", sagt Olaf Kayser, Bankenexperte der Landesbank Baden-Württemberg.
Die Commerzbank beispielsweise, Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus, hat nach Angaben von Experten hybrides Kapital im Wert von vier Milliarden Euro in ihren Büchern stehen. Das macht 12 Prozent ihrer Eigenkapitalausstattung aus, die staatlichen stillen Einlagen nicht eingerechnet.
Dennoch müssen Dax-Anleger wohl nicht sofort radikale Kursrückschläge der hiesigen Bankentitel fürchten. Sollten die Eigenkapitalvorschriften insbesondere zu Lasten deutscher Banken geändert werden, würde es wahrscheinlich Übergangsfristen geben, die eher in Jahren als in Monaten gezählt werden dürften.
"Tendenziell wären einseitige Neuregulierungen aber eine Belastung für die Frankfurter Banken, die sich durchaus auch kurzfristig im Dax bemerkbar machen könnte", sagt Tiago Bossa Dionisio, Bankenexperte des Finanzhauses Espirito Santo mit Hauptsitz in Luxemburg. Die leichte Unruhe der deutschen Dax-Anleger könnte also berechtigt sein.