Staatskonzern in der Krise Bahn-Aufsichtsrat will ran an die Vorstandsboni

Vorstand der Deutsche Bahn AG, Vorsitzender Richard Lutz (4.von links)
Foto: Pablo Castagnola / Deutsche Bahn AGDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Vorstand der Bahn durchlebt unruhige Zeiten. Am Montag steht ein heftiger Streik der mächtigen Eisenbahnergewerkschaft EVG ins Haus. Der gesamte Fernverkehr soll eingestellt werden, was bei Warnstreiks ein Novum ist. Und das in einer Zeit, in der die Pünktlichkeit der Bahn ohnehin katastrophale Werte erzielt und viele Kundinnen und Kunden frustriert aus den Zügen steigen. Gleichzeitig versucht das Unternehmen, mehr Geld für die lang aufgeschobene Sanierung der Infrastruktur beim Eigner, dem Staat, loszueisen. Bei dem für Sonntag angesetzten Koalitionsausschuss könnte es um die finanzielle Zukunft des Konzerns gehen.
In dieser Gemengelage stellt die Konzernspitze am kommenden Donnerstag die Jahresbilanz vor. Dabei wird es einen Punkt geben, der ganz unmittelbar sie selbst – beziehungsweise ihr Konto – betrifft. Wie hoch werden die Bonuszahlungen für die Konzernvorstände ausfallen, allen voran für den Vorsitzenden Richard Lutz? Immer wieder kam es bei dem Thema in der Vergangenheit zu Zahlungen, die in den Augen vieler nicht mit der wahrgenommenen Performance des Unternehmens übereinstimmen. Das soll sich nun ändern.
Der neue Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn, Werner Gatzer, plant eine grundlegende Reform bei den leistungsbezogenen Vergütungen des Vorstands. Am vergangenen Freitag lud Gatzer die Aufsichtsratsmitglieder zu einer Informationsveranstaltung ein, bei der er seine Pläne erläuterte. Statt kurzfristiger Anreize solle der langfristige Erfolg des Unternehmens belohnt werden, soll Gatzer, langjähriger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, laut Teilnehmern gesagt haben.

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Das neue System könne etwa bei der Jahre andauernden Generalsanierung der Infrastruktur oder der Einführung des Deutschlandtakts helfen. Gatzer verspricht sich von der Reform offensichtlich auch, den öffentlichen Streit über die Höhe der Vorstandsboni künftig zu vermeiden. In der Vergangenheit hatten Kritiker den Verdacht geäußert, dringend benötigte Investitionen seien bei der Bahn verschoben worden, um bessere Bilanzen vorzuweisen und höhere Gratifikationen zu kassieren. 2020 und 2021 hatte der achtköpfige Vorstand des Konzerns wegen der Pandemie auf leistungsbezogene Vergütungen verzichtet.
Für das vergangene Jahr sollen nach SPIEGEL-Informationen wohl wieder Boni fließen. Der Aufsichtsrat wird darüber kommende Woche beraten. Aber wie wird sich die Höhe berechnen? Die hohe Unpünktlichkeit und die Unzufriedenheit der Kunden dürften sich negativ auf die Ausschüttung auswirken. Gleichwohl, heißt es aus Branchenkreisen, habe der Konzern einen Milliardengewinn erzielt, was zu höheren Boni führen könnte.
Stimmungsmache mit Boni
Wie viel Euro es am Ende werden sollen, wird vor allem die Gewerkschaft EVG studieren. Sie versucht derzeit, hohe Lohnerhöhungen herauszuholen. Der Vorstand hat den Gewerkschaftsvertretern bislang ein aus ihrer Sicht ein viel zu geringes Angebot unterbreitet. Da lassen sich Boni schnell kritisieren, um Stimmung unter den Streikenden zu machen. Grundsätzlich zählen die Vergütungen der Bahn-Vorstände nicht zu den höchsten im öffentlichen Bereich, im Vergleich mit den Gehältern vergleichbar großer Unternehmen in der übrigen Privatwirtschaft sind sie sogar deutlich geringer.
Für den Aufsichtsratsvorsitzenden ist die Reform der Boni deshalb eine Gratwanderung. Neben den strategischen Zielen für den Konzern muss er auch bedenken, qualifiziertes Personal für die Spitzenjobs in dem Unternehmen und seinen mehr als 200.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland zu finden. In der Vergangenheit kam es bei der Höhe der Boni bereits zum Streit: Der ehemalige Konzernchef Rüdiger Grube schmiss seinen Job im Jahre 2017 überraschend hin, unter anderem auch wegen der Boni-Frage.