Sinnkrise bei der Deutschen Bank Frankfurt am Murks

Deutsche-Bank-Chefs Fitschen (l.), Jain: Kaum Rendite für die Investoren
Foto: RALPH ORLOWSKI/ REUTERSWenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.
Hamburg - Neuerdings reden Anshu Jain und Jürgen Fitschen gern über Deutschland. Denn hier ist man noch wer. 21 der 30 größten börsennotierten Unternehmen ließen sich von der Deutschen Bank beraten, erzählt Jain. Jeder siebte Immobilienkredit komme von ihr. "Wir sind tief in unserem Heimatmarkt verwurzelt."
Sicher, im Vergleich zur Commerzbank oder zur Sparkasse Köln/Bonn ist die Deutsche Bank einsame Spitze. Doch ihr Anspruch war eigentlich mal ein anderer: Als Jain und Fitschen Mitte 2012 das Erbe von Josef Ackermann antraten, wollten sie das vielleicht wichtigste Unternehmen des Landes von Grund auf umkrempeln. Sicherer, erfolgreicher und sympathischer sollte die Bank werden. Man wollte zu den Gewinnern des globalen Umbruchs zählen und gleichzeitig noch einen Kulturwandel hinbekommen.
Rund zweieinhalb Jahre später sieht die Realität ganz anders aus: Die amerikanischen Konkurrenten sind der Deutschen Bank weit davongezogen (siehe Grafik).

Seit Jains und Fitschens Amtsantritt am 1. Juni 2012 haben sich nahezu alle wirtschaftlichen Kennziffern verschlechtert. Die 4,3 Milliarden Euro Gewinn aus dem letzten Ackermann-Jahr 2011 haben seine beiden Nachfolger nie auch nur annähernd erreicht. Zusammengenommen hat die Bank in den vergangenen zweieinhalb Jahren gerade mal 613 Millionen Euro verdient. Darüber kann auch der ordentliche Gewinn von 441 Millionen Euro im vierten Quartal 2014 nicht hinwegtäuschen, den die Bank an diesem Donnerstag verkündete (siehe Grafik).

Für die Aktionäre der Bank ist die Entwicklung ein Drama. Der Kurs der Deutsche-Bank-Aktie hat seit Amtsantritt von Jain und Fitschen keinerlei Fortschritte gemacht - und das in einer Zeit, in der der Leitindex Dax fast 80 Prozent zugelegt hat (siehe Grafik).

Auch die Rendite auf das Eigenkapital der Aktionäre ist mehr als mau. Hatten Jain und Fitschen kurz nach Amtsantritt noch das Ziel von mindestens zwölf Prozent für das Jahr 2015 ausgegeben, dümpelt die wichtigste Erfolgskennziffer für Banken heute bei 2,7 Prozent. "Es ist uns bisher nicht gelungen, unseren Investoren die Rendite zu bieten, die sie erwarten", sagt Jain.
Auch die Kosten bekommt die Bank einfach nicht in den Griff, auch hier verfehlt sie das selbstgesteckte Ziel bisher um Längen (siehe Grafik). Um einen Euro zu erwirtschaften, musste die Bank 2011 rund 78 Cent einsetzen, 2014 waren es fast 87 Cent. Das Ziel für 2015 lag eigentlich bei weniger als 65 Cent. "Insgesamt sind die Zahlen für 2014 schlecht und weit entfernt von den ursprünglichen Zielen", urteilt Dieter Hein vom Analysehaus Fairesearch.

Dagegen sind die Erfolge des Führungsduos eher überschaubar. Die Bank hat ihre Bilanz etwas geschrumpft und das Verhältnis von Eigenkapital und Risiken verbessert. Das war es dann aber auch schon. Selbst der gerade von Fitschen immer wieder propagierte Kulturwandel zeitigt kaum messbare Ergebnisse. Die Boni-Regeln wurden zwar geändert und die Auszahlung der Millionen verzögert. Doch selbst in schlechten Jahren fließen immer noch Milliarden an die vergleichsweise erfolglosen Investmentbanker.
2015 drohen neue Belastungen
Fairerweise muss man sagen: Ein Großteil der Probleme sind Altlasten, die die Führungsspitze von ihren Vorgängern geerbt hat. Jedes Jahr muss die Bank neue Milliarden für die insgesamt 6000 Rechtstreitigkeiten zurückstellen, in die sie verstrickt ist. Die wichtigsten Brocken sind dabei die Skandale um mutmaßlich manipulierte Zinsen und Devisenkurse sowie fragwürdige Hypothekengeschäfte in den USA - allesamt Bereiche, für die allerdings gerade Jain als früherer Chef des Investmentbankings eine Mitverantwortung trug.
Dass der Gewinn im vierten Quartal vergleichsweise hoch ausfiel, hat denn auch vor allem damit zu tun, dass die Rückstellungen für solche Risiken nur noch gering um 200 Millionen auf nun 3,2 Milliarden Euro gestiegen sind. Eine Entwarnung ist das allerdings nicht. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Rechtskosten hoch bleiben werden", sagt Finanzvorstand Stefan Krause. Man habe ursprünglich geplant, 2014 mehr Streitfälle abschließen zu können.
Angesichts der schlechten Gesamtlage müssen Jain und Fitschen nun schon wieder umsteuern. Eine neue Strategie soll her, verlangt Aufsichtsratschef Paul Achleitner - und zwar schnell. Alles stehe auf dem Prüfstand, heißt es intern. Selbst ein Verkauf der Postbank wird in Erwägung gezogen, aber auch Teile des Investmentbankings stehen zur Debatte.
Eigentlich hätte man die neue Strategie gern schon zur Jahrespressekonferenz präsentiert, die für den heutigen Donnerstag angesetzt war. Doch zwei Wochen vorher musste die Bank den Termin leider absagen - zu unklar ist offenbar, was aus Deutschlands einst stolzestem Konzern langfristig werden soll. Was blieb, waren zwei Videos der Vorstandschefs (hier und hier ) sowie eine Telefonkonferenz mit Jain, Fitschen und Finanzvorstand Krause. Alle Fragen zur Strategie wurden abgeblockt - auch die nach einem bevorstehenden Personalabbau. "Es gibt keine Entscheidung in unserem Strategieprozess", sagte Fitschen.
Zusammengefasst: Zweieinhalb Jahre nach Amtsantritt hat die Spitze der Deutschen Bank immer noch keine Strategie, die Zahlen sind mau.
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