Libor-Affäre Deutsche Bank wollte Skandalhändler mit 80 Millionen belohnen

Sagenhafte 80 Millionen Euro soll die Deutsche Bank dem Ex-Händler Christian Bittar für ein einziges Jahr zugesprochen haben. Die Höhe des Bonus ist schon brisant genug - doch Bittar ist mittlerweile zudem durch den Skandal um manipulierte Zinssätze belastet. Und das bringt Konzernchef Anshu Jain in Bedrängnis.
Deutsche-Bank-Chefs Fitschen und Jain: Schlechte Nachrichten aus der Vergangenheit

Deutsche-Bank-Chefs Fitschen und Jain: Schlechte Nachrichten aus der Vergangenheit

Foto: dapd

Hamburg - Ein geschasster Geldhändler wird für die Deutsche Bank zum immer größeren Problem: Der Franzose Christian Bittar soll laut "Stern" für das Jahr 2008 Bonuszahlungen in Höhe von 80 Millionen Euro genehmigt bekommen haben. Die Deutsche Bank wollte die Zahl nicht kommentieren. Die Summe ist gigantisch - selbst für finanziell verwöhnte Investmentbanker. Zum Vergleich: Der damalige Konzernchef Josef Ackermann erhielt für das Krisenjahr 2008 gerade mal 1,4 Millionen Euro. Sogar in seinen besten Jahren kam er auf höchstens 14 Millionen Euro.

Brisant ist der hohe Bonus vor allem wegen Bittars mutmaßlicher Verwicklung in den Skandal um manipulierte Referenzzinssätze wie den Libor oder den Euribor. Der französische Händler war deshalb 2011 von der Bank entlassen worden, mehrere Aufsichtsbehörden ermitteln gegen ihn. Die Deutsche Bank beteuert jedoch, dass sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben hätten, wonach der Rekord-Bonus mit den möglichen Manipulationen zusammenhänge.

Bittar konnte so viel verdienen, weil sein Arbeitsvertrag ihm einen prozentualen Anteil an den Gewinnen versprach, die er für die Bank erwirtschaftete - und zwar unbegrenzt, ohne Deckelung. 2008 machte er offenbar das Geschäft seines Lebens. Damals hatte er darauf gesetzt, dass sich die Differenz zwischen den Referenzzinssätzen verschiedener Laufzeiten vergrößern würde. Die Wette ging auf. Im Gesamtjahr verdiente die Bank mit den Zins-Geschäften laut "Wall Street Journal" damals rund 500 Millionen Euro. Wie viel genau davon auf Bittar zurückgeht, ist unklar. Sein Bonus deutet allerdings darauf hin, dass es ein ziemlich großer Batzen gewesen sein dürfte.

Allerdings hat der Händler die gigantische Summe nie ganz erhalten. Die Auszahlung war auf mehrere Jahre gestreckt. Nachdem die Bank seine Verwicklung in die Zinsmanipulationen entdeckt hatte, sperrte sie im Jahr 2011 Bittars Bonustopf - in dem damals nach Konzernangaben immer noch 40 Millionen Euro lagen.

Bankchef Jain rückt in den Fokus

In den Skandal um Referenzzinssätze sind weltweit mehr als ein Dutzend Banken verwickelt. Ihnen wird vorgeworfen, Zinssätze aus dem Interbankenhandel wie den Libor oder den Euribor, die weltweit als Basis für zahlreiche Finanzprodukte gelten, durch falsche Angaben manipuliert zu haben (siehe Grafiken). Mehrere Aufsichtsbehörden ermitteln. Drei Banken haben sich bereits auf Vergleiche geeinigt: Die britische Barclays, die Royal Bank of Scotland (RBS) sowie die Schweizer UBS mussten jeweils dreistellige Millionensummen zahlen.

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Grafikstrecke: So funktioniert die Zinsmanipulation

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Auch bei der Deutschen Bank dürften die internationalen Untersuchungen in Vergleichen enden. Seit einiger Zeit läuft zudem eine Sonderprüfung der deutschen Finanzaufsicht BaFin, deren Ergebnis bis Ende März vorliegen soll. Unter anderem wurden dazu auch die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen vernommen.

Die Deutsche Bank hatte bisher stets behauptet, lediglich einzelne Händler seien in den Skandal involviert. In der Chefetage habe man von den Manipulationen nichts gewusst. Zu diesem Zwischenfazit kommt auch ein interner Revisionsbericht. Die Untersuchungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

"Wenn Herr Jain Politiker wäre, hätte er längst zurücktreten müssen"

Nun stellt sich allerdings die Frage, ob nicht zumindest der damals zuständige Investmentbanking-Chef Jain früher hätte wissen müssen, was sein wohl bestverdienender Angestellter Bittar da treibt. Dieser Meinung ist jedenfalls Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. "Der Fall zeigt, dass die verantwortlichen Händler nicht so kleine Lichter waren, wie bisher behauptet wurde. Sie müssen auf dem Schirm des Vorstands gewesen sein", sagte Schick SPIEGEL ONLINE. "Es gibt also auch eine Verantwortung des Vorstands. Wenn Herr Jain Politiker wäre, hätte er längst zurücktreten müssen."

Ganz abwegig scheint der Gedanke nicht. Schließlich mussten auch die obersten Investmentbanker anderer in den Libor-Skandal verwickelter Banken gehen. Als erster trat im vergangenen Jahr der Barclays-Chef Bob Diamond zurück, weil er im fragwürdigen Zeitraum die Investmentsparte geleitet hatte und offenbar in den Skandal verwickelt war. In der vergangenen Woche erwischte es dann John Hourican von der Royal Bank of Scotland - obwohl er nichts von den Manipulationen gewusst haben soll. Und an diesem Dienstag sickerte die Nachricht durch, dass auch der ehemalige Spartenchef der Schweizer UBS, Carsten Kengeter, das Haus verlassen wird.

Jain und sein Co-Chef Fitschen wollen von solch drastischen Maßnahmen bisher nichts wissen - und stellen sich stattdessen an die Spitze eines sogenannten Kulturwandels, im Zuge dessen die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet werden sollen. Erst in der vergangen Woche suspendierte die Bank weitere fünf Händler. Eine externe Kommission unter Vorsitz des ehemaligen BASF-Chefs Jürgen Hambrecht soll zudem neue Vergütungsregeln vorschlagen.

Ob das reichen wird, ist offen. Zumindest Jain dürfte weiter unter verschärfter Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. Er muss deutlich machen, dass er es ernst meint mit dem Wandel. Sonst ereilt ihn das, was sein Co-Chef Fitschen jüngst bei der Bilanzpressekonferenz allen Beschäftigten angedroht hatte: "Wer bei uns arbeitet und diese Werte nicht respektiert, der sollte besser gehen."

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