Deutsche Bank in der Krise Plan B für die riskanteste Bank der Welt

Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt
Foto: © Ralph Orlowski / Reuters/ REUTERSDas Testament für die Deutsche Bank, wie man sie heute kennt, ist schon geschrieben. Sanierungs- und Abwicklungsplan heißt der letzte Bankenwille in der merkwürdigen Sprache der Aufseher.
Jedes Kreditinstitut muss erklären, mit welchen Notoperationen es im Ernstfall verhindert, dass eine Schieflage den Steuerzahler belastet. Im Idealfall, so die Idee der Aufsichtsbehörden, greift eine Bank so früh zum Sanierungsplan, dass es gar nicht erst zur Beerdigung kommt, die im Abwicklungsplan geregelt ist.
Wie teuer wäre die Abwicklung der Deutschen Bank , die vom Internationalen Währungsfonds kürzlich immerhin als riskanteste Bank der Welt bezeichnet wurde? Das möchte niemand herausfinden.
Von einem plötzlichen Exitus ist das Institut auch weit entfernt.
Dennoch könnte schon bald relevant werden, was im Sanierungsplan der Deutschen Bank steht - dank des amerikanischen Justizministeriums.
Die Amerikaner verlangen 14 Milliarden Dollar von dem Konzern als Entschädigung für krumme Hypothekengeschäfte in den Bonanza-Jahren vor der Finanzkrise von 2008.
Die Forderung aus Washington ist zwar nur ein erstes Vergleichsangebot, das die Deutsche Bank umgehend scharf zurückwies: Man gedenke, "nicht annähernd" einen solchen Betrag zu zahlen. Tatsächlich verlangten die US-Behörden vom Wettbewerber Goldman Sachs zunächst 15 Milliarden Dollar, am Ende zahlte die Bank 5,1 Milliarden, davon 2,4 an das Justizministerium. Doch in keinem Vergleichsfall wurde das erste Gebot der Behörden schon zu Beginn der Verhandlungen bekannt.
Deshalb sprießen die Spekulationen, die Deutsche Bank werde im US-Präsidentschaftswahlkampf zum Spielball politischer Interessen. Die angedrohte Strafe sei eine Retourkutsche für die bis zu 13 Milliarden Euro teure Steuernachforderung der EU gegen den US-Konzern Apple.
Der Vorwurf aus Finanz- und Politikkreisen zeugt von großer Nervosität. Alle fragen sich: Reichen die Reserven, die die Bank für drohende Strafen gebildet hat? 5,5 Milliarden Euro hat sie für Rechtsrisiken beiseitegelegt. Davon soll rund die Hälfte für den Hypothekenskandal gedacht sein.
Analysten bezweifeln, dass Cryan die Amerikaner auf dieses Niveau herunterhandeln kann. So schätzt das Analysehaus Autonomous Research, die Deutsche Bank müsse am Ende 5,6 Milliarden Dollar für die Sünden am Immobilienmarkt zahlen. Weitere 2,5 Milliarden Dollar Strafe drohten aus den USA für die Beteiligung der Bank an Geldwäsche in Russland.
Einig sind sich die meisten Experten, dass die Kapitalreserven der Deutschen Bank nicht reichen würden, wenn die Strafzahlungen deutlich über den bisherigen Rückstellungen lägen. Unter Aktionären steigt daher die Erwartung, dass Cryan einen Plan B umsetzen muss.
Doch wie könnte der aussehen?
Im Testament der Deutschen Bank stehen ein Verkauf der Postbank und der Fondsgesellschaft DWS ganz oben. Ein Indiz, dass die Bank beide Schritte im Notfall erwägt, auch wenn Cryan einen Verkauf der Vermögensverwaltung immer wieder ausgeschlossen hat. Er will auf die stabile Ertragsquelle nicht verzichten.
Den Verkauf der Postbank hatte der Konzern unter Cryans Vorgängern zwar bereits beschlossen. Doch sie steht noch mit vier Milliarden Euro in den Büchern, während ihr Marktpreis mittlerweile eher bei 2,5 Milliarden Euro gesehen wird. Bei einem Verkauf würden wohl erst einmal neue Abschreibungen notwendig.
Dennoch hat Cryan vor wenigen Wochen Gespräche mit Commerzbank-Chef Martin Zielke geführt. Dabei soll es nicht, wie bisher kolportiert, um eine vollständige Fusion gegangen sein, sondern um die Postbank. Eine Idee war, sie mit dem Privatkundengeschäft der Commerzbank zu fusionieren und an die Börse zu bringen. Doch Zielke, der kommenden Woche seine neue Strategie vorlegen wird, hat andere Pläne.
Welche Optionen bleiben also?
"Staatliche Beteiligung sollte kein Tabu sein"
Die Deutsche Bank könnte die Aktionäre per Kapitalerhöhung zur Kasse bitten. Bisher schreckt sie davor zurück. Sie müsste einen hohen Abschlag bieten, um Investoren zu locken, und angesichts des niedrigen Kurses sehr viele neue Aktien ausgeben, um genug Kapital hereinzuholen. Die Anteile der Altaktionäre würden stark an Wert verlieren.
Und Cryan fürchtet, wenn er jetzt frisches Kapital ins Haus holt, könnten sich die US-Behörden eingeladen fühlen, noch mehr Geld zu verlangen. Wenn die größten Rechtsthemen abgeräumt wären, könnte ein solcher Schritt trotz allem attraktiver sein als der Verkauf des Tafelsilbers.
So verfahren ist die Lage, dass nun sogar eine Lösung ins Spiel gebracht wird, die Deutsch-Bankern wie ein Albtraum anmuten dürfte: ein Einstieg des Staates. "In dieser Situation sollte auch eine vorübergehende staatliche Beteiligung an der Deutschen Bank kein Tabu sein", sagt Harald Christ, Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums. Er ist auch Vorstand bei Ergo Deutschland.
So habe die konsequente Intervention der US-Regierung in der Finanzkrise zu einer schnellen Stabilisierung beigetragen, sagt Christ. "Solchen Weitblick braucht - wenn es hart auf hart kommt - auch die deutsche Politik, um sicherzustellen, dass die deutsche Wirtschaft weiterhin eine global konkurrenzfähige, einheimische Bank an ihrer Seite hat." In einem zweiten Schritt solle man auch darüber nachdenken, welche Vorteile es für den Finanzplatz Deutschland hätte, wenn Deutsche Bank und Commerzbank zusammengingen. An der Commerzbank ist der Bund seit der Finanzkrise bereits beteiligt.
Vor der anstehenden Bundestagswahl verspüren CDU und SPD jedoch wenig Lust, den Wählern zu erklären, dass sie sich an der Deutschen Bank beteiligen sollen - der riskantesten Bank der Welt.