Deutsche Bank Ein fatales Signal

Rainer Neske: Den Spaß an der Arbeit verloren
Foto: LISI NIESNER/ REUTERS"Wer ist schon unersetzlich?", hat Paul Achleitner gerade in einem Interview rhetorisch gefragt. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank ist damit erstmals ein kleines bisschen auf Distanz zur Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen gegangen. Das war opportun, kurz vor einer Hauptversammlung, die ganz im Zeichen heftiger Kritik der Aktionäre an den Co-Chefs stehen dürfte.
Deshalb versucht Achleitner sich im Spagat. Einerseits unterstützt er die Strategie der Doppelspitze, andererseits deutet er an, dass er die beiden Chefs fallen lassen könnte, wenn sie weiterhin ihre Ziele verfehlen und bei zu vielen Aktionären in Ungnade fallen.
Doch ersetzen muss die Bank nun erst einmal Rainer Neske. Der Privatkundenvorstand geht, weil er die Strategie von Jain und Fitschen und ihre Art der Vergangenheitsbewältigung nicht mittragen will. Natürlich dürfte Neske schlicht auch deswegen den Spaß an der Arbeit verloren haben, weil ihm mit dem geplanten Verkauf der Postbank und der Schrumpfung des restlichen Privatkundengeschäfts ein großer Teil des Umsatzes, der Mitarbeiter und des Einflusses in der Bank abhandenkommt. Es geht ihm also vermutlich nicht nur um hehre Motive wie den Wunsch nach einer echten kulturellen Erneuerung der Bank.
Und natürlich ist auch Neske nicht unersetzlich. Der Westfale hat in seinen sechs Jahren als Privatkundenvorstand solide Arbeit abgeliefert, aber ohne den Eindruck zu vermitteln, er könne über Wasser gehen. Sein Geschäftsbereich liefert seit Jahren stabile Ergebnisse, obwohl Niedrigzinsen und extrem intensiver Wettbewerb im deutschen Heimatmarkt es schwer machen, im Privatkundengeschäft viel Geld zu verdienen. Allerdings hat auch Neske manche Ziele verfehlt, die sich der Vorstand 2012 gesetzt hatte. Die Kosten sind immer noch zu hoch, und die Integration der Postbank verläuft zäher als erhofft.
Doch das ist nur zum Teil Neske anzukreiden. Wesentliche Verantwortung für die gefühlte Stagnation der gesamten Bank tragen Jain und Fitschen. Seit mehr als einem halben Jahr lähmt die Strategiedebatte das Geschäft, den Einfluss der neuen Regulatorik auf alle Geschäftsbereiche hatten sie unterschätzt. Seit öffentlich über die Zukunft der Postbank gefeilscht wurde, konnte deren Integration kaum vorangetrieben werden. Mit dem jetzt geplanten Verkauf ist das dort investierte Geld weitgehend versenkt.
Zwar ist es unumgänglich, dass auch im Privatkundengeschäft stärker gespart wird. Um einen Filialabbau kommt die Bank nicht herum, weil immer mehr Kunden ihre Geldgeschäfte über PC und Smartphone abwickeln. Doch all das wäre den Mitarbeitern im Massenkundengeschäft besser zu vermitteln, wenn sie nicht das Gefühl haben müssten, mit ihren Gewinnen vor allem die juristischen Altlasten der Investmentbank abzutragen. Fast alle, die als Führungskräfte die Milliardenstrafen und die andauernden Ermittlungen von Justiz und Aufsichtsbehörden zu verantworten haben, sind weiter im Amt oder sogar noch befördert worden - von Jain über den Chefjuristen bis zum langjährigen Leiter des Zins- und Währungshandels. Dabei waren hier offenbar Dutzende Deutsche-Bank-Mitarbeiter in krumme Geschäfte verwickelt. Ermittelt wird wegen anderweitiger Vorwürfe auch gegen Co-Chef Fitschen, Finanzvorstand Stefan Krause und Personalvorstand Stephan Leithner.
Natürlich muss und sollte nicht jede staatsanwaltschaftliche Ermittlung eine Entlassung nach sich ziehen, jeder Fall ist einzeln zu bewerten. Doch es ist ein fatales Signal an Aktionäre und Mitarbeiter der Deutschen Bank, wenn nun ausgerechnet Neske die Bank verlässt. Zwar ist er als langjähriger Vorstand ebenfalls mitverantwortlich für die gesamte Entwicklung der Bank. Doch er kann wohl noch am ehesten von sich behaupten, mit all den skandalösen Machenschaften nichts zu tun gehabt zu haben und intern auf Aufarbeitung gedrängt zu haben. Außerdem geht mit Neske einer der letzten klassischen Banker in der höchsten Führungsebene. Es bleiben Händler, Berater, Investmentbanker. Nein, unersetzlich ist Neske nicht. Aber sein Weggang ist ein weiteres Warnsignal, dass die Deutsche Bank in die falsche Richtung steuert.