Entlassungen bei der Deutschen Bank Small Street

Die radikale Schrumpfkur der Deutschen Bank trifft vor allem New York und das US-Geschäft, das so viele Skandale produziert hat. Der Traum, sich mit den Größten an der Wall Street zu messen, ist geplatzt.
New Yorker Zentrale der Deutschen Bank an der Wall Street

New Yorker Zentrale der Deutschen Bank an der Wall Street

Foto: SPENCER PLATT/ AFP

Der Wolkenkratzer 60 Wall Street galt mal als Topadresse. Entworfen im klobigen Achtzigerjahrestil als damals größter Bau des New Yorker Finanzviertels, war er lange Hauptsitz der US-Bank J.P. Morgan. 2001 kaufte die Deutsche Bank den Turm und machte ihn zu ihrer Wall-Street-Zentrale, nebst überdachtem Säulenhof fürs gemeine Volk.

Jetzt ziehen die Deutschen wieder aus. Vorbereitet wird das schon seit einiger Zeit, im Zuge einer ohnehin geplanten Büroverlegung von der Wall Street hinauf nach Midtown. Aber auch dahinter steht nun ein Fragezeichen.

Denn der radikale Kahlschlag, den Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am Sonntag verkündete, trifft nicht zuletzt auch die New Yorker Dependance: Sewing beendet die globalen Ambitionen der Bank und will 18.000 Stellen abbauen, die meisten wohl im Ausland. Sprich: vor allem in den USA und an der Wall Street.

Denn hier, in 47 Glasetagen am East River, liefen jahrelang die Fäden des weltweiten Investment- und Aktiengeschäfts der Deutschen Bank zusammen. Hier mischten die Hessen bei den ganz Großen mit. Hier hofierten sie die Superreichen der Welt, egal, wie fragwürdig die auch waren. Hier maßen sie sich als "Goldman Sachs Europas" mit den Schwergewichten der Wall Street - eine Vision, die spektakulär gescheitert ist.

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Das "Wall Street Journal" spricht von "Kapitulation", die "New York Times" sogar von einer "Totenwache". Die US-Betroffenen überrascht das freilich kaum. Gerüchte kursierten seit Monaten - auch wenn die Brutalität der "Transformation", wie Sewing es in seiner "Nachricht an die Mitarbeiter" beschönigend formulierte, vielen erst jetzt klar wird.

Für die New Yorker Angestellten ist dies ein Schock, nach einem langen, schwülen Nationalfeiertagswochenende, an dem sie Amerikas Unabhängigkeit von den Briten feierten, mit Feuerwerk, Grillpartys und Ausflügen an den Strand. "Es könnte Szenen geben wie bei Lehman Brothers", sagte ein Ex-Direktor der Deutschen Bank der Website "eFinancialCareers" - in Anspielung an den Zusammenbruch der US-Bank, mit dem 2008 die globale Finanzkrise erst richtig Fahrt aufnahm.

Das mag übertrieben sein, doch schon in der vergangenen Woche beobachteten US-Journalisten auf den Fluren des Turms 60 Wall Street "überall Zeichen der Unruhe": Angestellte hätten ihre persönliche Habe bereits entfernt, in der Chefetage wurden Umzugskartons gesichtet, aber keine Chefs. Der Handelsraum sei still gewesen - und mancher schon offen auf Jobsuche.

Rückzug nach zwei Jahrzehnten Expansion

Was genau nun geschieht, blieb aber zunächst unklar. Rund zehn Prozent der 91.000 Angestellten sitzen in den USA, gut 2000 davon in New York. Das war das Ergebnis einer langen Expansion an der Wall Street, die 1999 mit der Übernahme der US-Bank Bankers Trust begonnen hatte.

Die großen Personalentscheidungen im US-Geschäft sickerten bereits durch. Tom Patrick, seit knapp zwei Jahren Amerikachef und Verbindungsmann zur US-Notenbank, ist demnach bereits so gut wie weg vom Fenster. Patrick war noch von Sewings Vorgänger John Cryan befördert worden. Seine Stellvertreterin, Kate Clifford-Toomey, wechselte bereits im Juni zur Konkurrenz von Wells Fargo.

Ebenfalls gehen soll Peter Selman, der Global Head of Equities, also Chef des weltweiten Aktiengeschäfts. Er sei einer von Dutzenden Topabgängen, meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Zudem dürfte die Deutsche Bank die lästigsten Teile ihrer US-Repräsentanz - darunter Hedgefonds und Derivate - an andere Banken abtreten. Die Citigroup oder die BNP Paribas   sind nach Medienberichten interessiert. Ein völliger Verzicht aufs Nordamerika-Geschäft wird aber nicht erwartet.

Sie wollten das "Blutbad" noch verhindern

Die Stimmung in New York ist mies. Immer wieder, so ist zu hören, habe man Frankfurt gebeten, das "Blutbad" doch zu vermeiden, das nun stattfindet, und sich stattdessen mit kleineren Einschnitten zu begnügen. Vor allem das mittlere Management stehe nun vor dem Nichts, viele Banker fänden keine neuen Jobs.

Dass nun das US-Geschäft besonders drastisch vom Kahlschlag der Frankfurter getroffen wird, ist allerdings in gewisser Hinsicht auch folgerichtig: Die Krise der Deutschen Bank offenbart sich schon lange gerade in den USA. Das Geldhaus ist hier mehrmals durch den Stresstest der Federal Reserve gefallen. Erst im Juni bestand sie zum ersten Mal wieder. Auch sonst hielt die Fed die Deutschen an der kurzen Leine, nach den Milliardenstrafen wegen unlauterer Geschäfte und dem Geldwäscheskandal Ende 2018.

Und dann ist da Donald Trump. Mit dem machte die Deutsche Bank Geschäfte, als dem damaligen Immobilienvermarkter sonst keine andere Bank mehr Geld leihen wollte. Nach Recherchen der "New York Times" setzte sich das US-Management dabei über interne Bedenken hinweg.

Die US-Demokraten und der Bundesstaat New York haben die Freigabe von Trumps Kundenakten unter Strafandrohung eingefordert, Trump versucht das jedoch zu blockieren. Auch von angeblich dubiosen Darlehen an Trumps Schwiegersohn Jared Kushner wird berichtet. All diese Affären quälen sich gerade durch die juristischen Instanzen. Sie verschlingen viel Geld, nagen an der Reputation und "werden die Deutsche Bank auf absehbare Zeit belasten", wie der Analyst Ian Katz der "Washington Post" sagte.

Was aus der Verlegung der US-Zentrale von der Wall Street nach Midtown wird, gilt nun ebenfalls wieder als offen. Eigentlich will die Deutsche Bank ins jetzige Time Warner Center umziehen, das ab 2021 dann Deutsche Bank Center heißen soll.

Doch schon die bislang dort geleasten Büroflächen geben Einblick, wie sehr die Ambitionen der Deutschen Bank sich gewandelt haben: Sie sind um ein Drittel kleiner, als an der alten Adresse 60 Wall Street.

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