Eklat vor der Hauptversammlung Deutsche-Bank-Vorstand Neske schmeißt hin

Rainer Neske: Bruch mit Deutsche-Bank-Co-Chefs Jain und Fitschen
Foto: Getty ImagesIn Aufsichtsratskreisen heißt es, die Personalie solle bereits an diesem Mittwoch in dem Kontrollgremium besprochen werden, man wolle nach Möglichkeit auch schon einen Nachfolger präsentieren. Bis jetzt haben sich Neske und die Deutsche Bank aber offenbar nicht über die finanziellen Modalitäten der Trennung geeinigt. Als naheliegender Kandidat für die Nachfolge gilt Christian Ricken, Mitglied des erweiterten Vorstands und zweiter Mann im Privatkundengeschäft hinter Neske.
Der Konzern wollte sich zu dem Thema nicht äußern.
Der 50-jährige Westfale Neske arbeitet seit 25 Jahren bei der Deutschen Bank und gehört seit April 2009 dem Vorstand an. Sein Vertrag läuft noch bis 2017, die Trennung dürfte demnach nicht billig werden. 2014 belief sich die Gesamtvergütung für Neske laut Geschäftsbericht auf 4,4 Millionen Euro.
Der Bruch zwischen Neske und den Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen hatte sich abgezeichnet. Bereits seit längerer Zeit berichten Insider über Differenzen zwischen dem Privatkundenchef und Jain, der bis zu seinem Wechsel an die Bankspitze das Investmentbanking verantwortete. Ihr Konflikt steht auch für die Gräben zwischen den vor allem in London und New York beheimateten Investmentbankern und den in Frankfurt verankerten Privat- und Firmenkundenmanagern. In der Diskussion um die Strategie und die Bewältigung der zahlreichen Skandale, in welche die Bank verwickelt ist, sind diese Gräben in den vergangenen Monaten mehr denn je sichtbar geworden.
Streit um die Zukunft der Postbank
Als der Vorstand der Deutschen Bank Ende April über das neue strategische Konzept abstimmte, votierte einer dagegen: Rainer Neske. Jain und Fitschen wollen die Postbank bis Ende 2016 verkaufen und im restlichen Privatkundengeschäft der Deutschen Bank fast ein Drittel der Filialen schließen.
Neske hatte sich für das Modell einer europäischen Universalbank eingesetzt, in dem die Postbank voll integriert und das Investmentbanking stark beschnitten werden sollte, insbesondere das Handelsgeschäft. Diese Lösung hatte der Vorstand ursprünglich als eines von fünf Konzepten auch diskutiert, am Ende standen jedoch zwei andere Modelle zur Abstimmung: Die jetzt verfolgte Trennung von der Postbank sowie die Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts.
Zwar wollen auch Jain und Fitschen das Investmentbanking schrumpfen, doch spielt das Privatkundengeschäft künftig strategisch eine klar untergeordnete Rolle. Die beiden Chefs beteuern, die Deutsche Bank werde in Deutschland verankert bleiben, ja, sie kehre mit der neuen Strategie sogar zurück zu ihren Wurzeln. Doch Neske, der in Berlin als gut verdrahtet gilt und dem CDU-Wirtschaftsrat angehört, sieht in der neuen Strategie offenbar die Gefahr, dass die Deutsche Bank zunehmend aus Deutschland weg driftet.
In der Vergangenheit soll Neske intern auch die schleppende Aufarbeitung alter Affären wie den Libor-Skandal um manipulierte Zinsen kritisiert haben. Deshalb dürfte seine Demission die erwartete heftige Debatte bei der Hauptversammlung der Bank an diesem Donnerstag zusätzlich befeuern.
Unersetzlich? Wer ist das schon?
Die einflussreiche amerikanische Aktionärsvertretung ISS hatte angekündigt, den Vorstand nicht zu entlasten. Sie hatte dies vor allem damit begründet, dass das Management den Aktionären der Bank durch mangelhafte Kooperation mit den amerikanischen und britischen Behörden eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar für die Verwicklung in den Libor-Skandal eingebrockt habe.
Vergangene Woche hat auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin ihren Abschlussbericht zur Libor-Affäre der Bank überstellt. Das Finanzinstitut hat nun die Gelegenheit, zu dem Bericht Stellung zu nehmen, ehe die BaFin über mögliche personelle Konsequenzen entscheidet. In einem Zwischenbericht hatte die Aufsicht auch Jain für die mangelnde Aufarbeitung der Affäre kritisiert. Co-Chef Fitschen wiederum steht aus Sicht der ISS unter Druck, weil er sich vor dem Landgericht München gegen den Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs verteidigen muss.
Jain und Fitschen hatten am Wochenende in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("F.A.S.") erklärt, weitermachen zu wollen, ihre Mission sei noch nicht beendet. Aufsichtsratschef Paul Achleitner ging in einem Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" erstmals leicht auf Distanz zu den Co-Chefs. "Wer ist das schon?", sagte Achleitner auf die Frage, ob die beiden unersetzlich seien.