Produktpiraterie Jetzt kämpft auch China gegen die Fälscher

Der Westen erfindet - und China kopiert. So war es bisher. Doch seit die Regierung in Peking das Land zum Hightech-Standort aufrüstet, finden chinesische Produktpiraten ihre Opfer immer wieder im eigenen Land.
Firmenchefs Buchheit, Winzenried: "Die Chinesen lernen sehr schnell"

Firmenchefs Buchheit, Winzenried: "Die Chinesen lernen sehr schnell"

Foto: Wibu-system

Schaudernd erinnert sich Oliver Winzenried an seine jüngste Geschäftsreise nach Peking. "Ich hatte einen Termin bei Sany", erzählt der Unternehmer. Bei dem chinesischen Konzern also, der vor kurzem den schwäbischen Betonpumpenhersteller Putzmeister übernommen hat - und damit in Deutschland für Aufsehen sorgte.

Winzenried, Gründer und Chef der Softwarefirma Wibu Systems, wollte die Gastgeber für seine Technologie gewinnen. "Das Gespräch lief gut. Mein Problem war nur, dass es extrem kalt war. Wir saßen in einer gigantischen, unbeheizten Eingangshalle, und ich habe gezittert vor Kälte."

Doch immerhin - die niedrigen Temperaturen blieben an diesem Tag Winzenrieds einziges Problem. Er kam mit einer Tochterfirma von Sany ins Geschäft und sicherte sich so den nächsten Auftrag in der Volksrepublik. Konkret bietet Wibu Systems anderen Unternehmen an, ihre digitalen Produkte vor Fälschungen und Nachahmern zu schützen. Seit neun Jahren ist Wibu Systems auch in Shanghai aktiv, 2010 wurde in Peking die zweite Niederlassung eröffnet. Und mittlerweile läuft es, verkündet der 49-jährige Winzenried stolz. "2011 waren wir in China zum ersten Mal profitabel."

Es klingt paradox: Chinas Wirtschaft leidet immer häufiger selbst unter den vielen Produktpiraten im eigenen Land - und westliche Unternehmen verdienen gut daran, chinesische Unternehmen vor Fälschungen zu schützen. Der Erfolg von Wibu Systems lässt ahnen, wie rasend schnell sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt verändert.

Zwar ist China nach wie vor die Hochburg der Produktpiraten, wie eine aktuelle Studie des Branchenverbands VDMA zeigt. Demnach kommen fast drei Viertel der Fälschungen, die die deutschen Maschinenbauer pro Jahr acht Milliarden Euro kosten, aus der Volksrepublik. Allerdings geben die Kopierer sich längst nicht mehr damit zufrieden, ausländische Erfindungen eins zu eins abzukupfern.

Vermehrt arbeiten chinesische Unternehmen mittlerweile selbst daran, Technologien weiterzuentwickeln und den Ansprüchen ihrer Landsleute anzupassen. Mehr noch: Chinas Wirtschaft bringt vermehrt eigene Hightech-Produkte hervor, innovative Unternehmen werden massiv vom Staat subventioniert.

"Die technische Entwicklung in China wird unterschätzt"

Dola Zhou leitet das Büro von Wibu Systems in Shanghai. Sie erzählt, dass lukrative Produkte wie Spielautomaten oder Medizintechnik kopiert werden. "Firmen arbeiten zwei bis drei Jahre an einem Produkt, und dann wird innerhalb von zwei Wochen eine billige Kopie auf den Markt gebracht." Gerade in der Spielautomatenbranche tobe ein heftiger Kampf zwischen den Herstellern und für die Erfinder sei es "sehr lukrativ, ihre Ideen doppelt oder dreifach zu verkaufen".

Dola Zhou und ihre Mitarbeiter beraten die Firmen, wie sie ihre Produkte schützen können. Bei Interesse liefern sie passgenaue Verschlüsselungssoftware, die in die Geräte integriert werden kann - zum Beispiel in einen Kernspintomographen oder einen Spielautomaten.

"In Deutschland wird die technische Entwicklung Chinas meist unterschätzt", sagt Winzenried. Das Land entwickle sich vom reinen Produzenten zu einem Ort, an dem komplexe Technologien erfunden und entwickelt werden. Statt Werkbank der Welt also bald Labor der Welt? Das dürfte bislang in erster Linie noch eine Zukunftsvision der chinesischen Regierung sein. Klar ist aber: Jedes Jahr verlassen Hunderttausende Ingenieure die Hochschulen. Es gibt also ein gigantisches Potential für Innovationen, während die deutschen Firmen über den Fachkräftemangel klagen. Für deutsche Industrieunternehmen wird es sicherlich nicht leichter, sich der chinesischen Konkurrenz zu erwehren.

Auch in seiner eigenen Branche spürt Winzenried derweil die Konkurrenz durch chinesische Wettbewerber. Bislang entwickeln die chinesischen Konkurrenten zwar vor allem Schutzsoftware für private Computer. Die Deutschen und ihre Wettbewerber in den USA dagegen beliefern Maschinenbauer in der ganzen Welt. Doch das könnte sich ändern. "Die Chinesen lernen sehr schnell", sagt Winzenried.

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